Archiv für den Monat: April 2015

Siebenschön (D 2014): 7 Fragen und Antworten zum ARD-Märchenfilm

Sie ist schön. Sie ist klug. Sie ist mutig. Gibt es eine solche Frau? Ja! Zum Beispiel im ARD-Märchenfilm „Siebenschön“. Von der Geschichte über ein Mädchen, das sich als junger Bursche verkleidet, um der Gerechtigkeit auf die Sprünge zu helfen, können Frauen und Männer noch etwas lernen: Schönheit ist gut, Bildung ist besser.

Obwohl der Bekanntheitsgrad des Märchens „Siebenschön“ nicht so groß ist wie der vom Grimmschen „Schneewittchen“ oder „Dornröschen“, hat die ARD die Geschichte dennoch für ihre „Auf-einen-Streich“-Reihe verfilmt. Respekt! Aber: Hat sich der Mut gelohnt? Hier sind die wichtigsten sieben Fragen und Antworten zum Märchenfilm „Siebenschön“.

Wer hat das Märchen „Siebenschön“ geschrieben?

Illustration zu „Siebenschön“ von Ludwig Richter / Quelle: „Deutsches Märchenbuch“ (1857)

Illustration zu „Siebenschön“ von Ludwig Richter / Quelle: „Deutsches Märchenbuch“ (1857)

Jeder kennt die Brüder Grimm. Dagegen ist der Märchensammler Ludwig Bechstein (1801 bis 1860) fast ein wenig in Vergessenheit geraten. Und das, obwohl er zu Lebzeiten weit mehr Märchenbücher verkauft hat als die Grimms. Das lag damals weniger an den Märchen selbst – weil er das „poetische Niveau“ (Freund) der Kinder- und Hausmärchen niemals erreichte –, sondern an den bezaubernden Illustrationen, die in seinen späteren Märchenbuch-Ausgaben zu finden waren. Gezeichnet vom Biedermeier-Maler Ludwig Richter: 187 Märchenszenen hat er bebildert, darunter auch zwei zu „Siebenschön“, das Bechstein allerdings erst 1853 in sein „Deutsches Märchenbuch“ aufnahm.

Warum heißt das Märchen eigentlich „Siebenschön“?

© Insel Verlag

© Insel Verlag

Siebenschön ist der Name eines armen Mädchens, das „so schön [war] wie sieben zusammen“ – und damit ein Beispiel für sogenannte sprechende Namen im Märchen, wie Schneewittchen oder Rotkäppchen, die ebenso auf das Aussehen anspielen. Anders als ihre Märchen-Pendants muss Siebenschön aber weder eine böse Stiefmutter noch den bösen Wolf fürchten. Wenngleich auch ihr die Schönheit, wie bei Schneewittchen, zum Verhängnis wird. Ein Königssohn verliebt sich deshalb in das einfache Mädchen. Beide treffen sich regelmäßig – trotz Standesunterschieden. Genau dieses Motiv macht Ludwig Bechsteins „(bürgerliches) Konzept“ (Neuhaus) deutlich, das oft in seinen Märchen vorkommt und König sowie Adel am Ende alt aussehen lässt.

Welchen Akzent setzt der ARD-Märchenfilm „Siebenschön“?

Hilfe: Siebenschön (Xenia Assenza) lernt von Nonne Genoveva (Esther Schweins) / Foto: HR/Katrin Denkewitz

Hilfe: Siebenschön (Xenia Assenza) lernt von Nonne Genoveva (Esther Schweins) / Foto: HR/Katrin Denkewitz

Die Drehbuchautoren Anja Kömmerling und Thomas Brinx orientieren sich im Kern am Inhalt des Bechsteinschen Märchen, erweitern aber das Figurentableau, auch um bestimmte Charaktere zu vertiefen: Siebenschön (Xenia Assenza) ist nicht nur ein hübsches, sondern auch ein wissbegieriges Bauernmädchen, das von der klugen Nonne Genoveva (Esther Schweins) unterstützt wird. Prinz Arthur (Franz Dinda), der die meiste Zeit mit Bücherlesen verbringt, verliebt sich in Siebenschön – anfangs nicht in ihre Schönheit, weil sie bei den Treffen einen Schleier vor dem Gesicht trägt, sondern erst einmal in ihre Klugheit. Das unterstützt eine der Botschaften des Märchenfilms: Schönheit ist gut, Bildung ist besser.

Welche Konflikte entstehen im verfilmten Märchen?

Verliebt: Prinz Arthur (Franz Dinda) / Foto: HR/Katrin Denkewitz

Verliebt: Prinz Arthur (Franz Dinda) / Foto: HR/Katrin Denkewitz

Vor allem viele Eltern-Kind-Konflikte: Siebenschöns Vater (Alexander Hörbe) und Mutter (Rebecca Immanuel) sind nicht davon begeistert, dass ihre Tochter Bücher liest und sich zudem in Prinz Arthur verliebt hat. Dessen Vater König Richard (Michael Kind) steht Arthurs (Bücher-)Liebe ebenso ablehnend gegenüber und möchte, dass er standesgemäß heiratet. Und auch Prinzessin Zilly (Teresa Weißbach), die unbedingt den Baron von und zu Wildungen (Florian Panzner) heiraten möchte, steht am Ende mit ihrem Vater König Johann (Gustav Peter Wöhler) im Clinch. Der Baron mag Zilly nicht und hat den König davon überzeugt, dass eine Heirat von Zilly mit Prinz Arthur das Beste für das Königreich ist. Zudem hat der Baron selbst ein Auge auf Siebenschön geworfen …

Warum ist der Film eine Verwechslungskomödie?

Blind Date: Siebenschön (Xenia Assenza) und Prinz Arthur (Franz Dinda) / Foto: HR/Katrin Denkewitz

Blind Date: Siebenschön (Xenia Assenza) und Prinz Arthur (Franz Dinda) / Foto: HR/Katrin Denkewitz

Wie schon in der Märchenvorlage verkleidet sich Siebenschön als junger Mann. Zuvor ist ihr Elternhaus niedergebrannt worden. Mutter und Vater sind verschwunden. Sie gibt sich und ihrem Namen die Schuld an dieser Katastrophe – und nennt sich fortan Unglück. Am Hof von König Richard, Vater von Prinz Arthur, will Siebenschön/Unglück herausfinden, was mit ihren Eltern passiert ist. So entwickelt sich der Märchenfilm zu einer veritablen Verwechslungskomödie, die anfangs auf Geschlechtsidentität fußt (Mädchen wird für einen Jungen gehalten) und am Schluss mit Personenidentitäten spielt (Siebenschön wird für Prinzessin Zilly gehalten und umgekehrt). Das sorgt für Irrungen und Wirrungen. Shakespeares „The Comedy of Errors“ lässt grüßen.

Und das Besondere an der Märchenfilm-Geschicht?

Marie-Antoinette-Double: Zilly (Teresa Weißbach) / Foto: HR/Katrin Denkewitz

Marie-Antoinette-Double: Zilly (Teresa Weißbach) / Foto: HR/Katrin Denkewitz

Regisseur Carsten Fiebeler („Das blaue Licht“, 2010) hat das Märchen tempo- und ideenreich adaptiert, was vor allem daran liegt, dass der Film zur Hälfte als Verwechslungskomödie inszeniert ist. Obwohl die zahlreichen Konflikte logisch aufgelöst werden und der Schluss mit einem klugen Happy End aufwartet, steckt in dem 60-minütigen Märchenfilm fast ein wenig zu viel des Guten. Dennoch lebt „Siebenschön“ auch von seinem interessant austarierten und ausstaffierten Figurenensemble im Setting des 18. Jahrhunderts: hier der strenge Soldaten-König in Uniform, dort der genussfreudige Herrscher mit Marie-Antoinette-Tochter (Kostüm: Ilse Hammerschmidt, Maske: Irmgard Mayr). Très bien!

Wo befinden sich die Drehorte des ARD-Märchenfilms?

Märchenfilm-Drehort: Burg Ronneburg / Foto: Rolf Krekeler/pixelio.de

Märchenfilm-Drehort: Burg Ronneburg / Foto: Rolf Krekeler/pixelio.de

Gedreht wird „Siebenschön“ im Mai 2014 dort wo nicht Ludwig Bechstein, sondern die Brüder Grimm ihre Märchen aufschrieben: in Hessen. Das Dorf, in dem Siebenschön mit ihren Eltern lebt, ist das Fränkische Freilandmuseum Fladungen. Die ehemalige Benediktinerabtei Seligenstadt wird das Zuhause von Nonne Genoveva. Dagegen ist die Bücherei der Theologischen Fakultät in Fulda der Drehort für das erste Date zwischen Siebenschön und Prinz Arthur. Sein Vater König Richard residiert auf Burg Ronneburg. Weitaus schicker wohnen König Johann und Tochter Zilly: im Schloss Fasanerie in Eichenzell. Die Heilig-Geist-Kirche in Fulda ist Drehort für die Doppelhochzeit am Ende.

Film: „Siebenschön“ (2014, R: Carsten Fiebeler, BRD). Ist auf DVD erschienen.

Literatur:

  • Bechstein, Ludwig: Sämtliche Märchen. Vollständige Ausgabe der Märchen Bechsteins nach der Ausgabe letzter Hand unter Berücksichtigung der Erstdrucke. Mit 187 Illustrationen von Ludwig Richter. Mannheim, 2011, S. 179-183.
  • Freund, Winfried: Märchen. Köln, 2005, S. 41.
  • Neuhaus, Stefan: Ludwig Bechstein – Deutsches Märchenbuch (1845), in: Märchen. Tübingen, 2005, S. 213-216.


Headerfoto: Siebenschön (Xenia Assenza) im gleichnamigen ARD-Märchenfilm / Foto: HR/Katrin Denkewitz