Hervorgehobener Beitrag
Die ostdeutsche Übernahme – oder: Der Märchenfilm in der BRD von 1990 bis heute

Die ostdeutsche Übernahme – oder: Der Märchenfilm in der BRD von 1990 bis heute

Seit der Wiedervereinigung sind in Deutschland über 100 Märchenfilme entstanden. Zeit, um Bilanz zu ziehen. Was ist heute vom DEFA-Märchenfilm der untergegangenen DDR übrig geblieben?

Als der Historiker llko-Sascha Kowalczuk mit „Die Übernahme. Wie Ostdeutschland Teil der Bundesrepublik wurde“ (2019) ostdeutsche Befindlichkeiten unter die Lupe nahm, provozierte er – dreißig Jahre nach dem Mauerfall – eine kontroverse Debatte. Lobte der 1976 von der DDR ausgebürgerte Liedermacher Wolf Biermann in der „Berliner Morgenpost“ Kowalczuks Essay als „glänzendes Buch“ und „wahrhaftige Analyse“, so urteilte im „Deutschlandfunk Kultur“ die DDR-Ex-Leistungssportlerin Ines Geipel deutlich kritischer.

Stille Post: Auch das Ministerium für Post- und Fernmeldewesen der DDR wurde 1990 abgewickelt / © LoB/pixelio.de

Stille Post: Auch das Ministerium für Post- und Fernmeldewesen der DDR wurde 1990 abgewickelt / © LoB/pixelio.de


Kowalczuk bediene mit seiner „Strategie des halben Blicks“ nur den „aktuellen Hype: da der Schuld-Westen, dort der Opfer-Osten“, so Geipel, die auch Mitbegründerin des „Archivs der unterdrückten Literatur in der DDR“ ist. Gleichwohl hält die Zeit des Bilanzziehens unvermindert an. Sie mündet dabei vor allem in einer Frage: Wie wirkt sich eine sogenannte „Übernahme“, oder anders gesagt: der Beitritt der DDR (nach Artikel 23 des alten Grundgesetzes), auf das heutige Deutschland aus?

„Kulturelle Hegemonie“ und fehlende „Ost-Eliten“

Dabei rückte Kowalczuk den Blick auch auf eine westdeutsche ‚Vorherrschaft’ im Kulturbetrieb des seit 30 Jahren vereinten Deutschlands. Diese Erkenntnis war zwar schon damals nicht neu, gewann aber mehr und mehr an Relevanz im öffentlichen Diskurs. Jene ‚West-Dominanz’ nannte Kowalczuk „kulturelle Hegemonie“, geprägt von fehlenden „Ost-Eliten“ und einer damit verbundenen „Abwertung“ ostdeutscher Künstlerinnen und Künstler.

Die da oben, wir hier unten? Im DDR-Kinderwagen gab es vielfältige Sitzmöglichkeiten / © Daniel Franke/pixelio.de

Die da oben, wir hier unten? Im DDR-Kinderwagen gab es vielfältige Sitzmöglichkeiten / © Daniel Franke/pixelio.de


Dabei meint der wissenschaftlich eher umstrittene Begriff „Eliten“ (vgl. Waldmann 1998, S. 113–116) Personen, die in Institutionen oder Organisationen aufgrund ihrer (Leitungs-)Funktion und der daraus resultierenden Macht einen gesellschaftspolitischen Einfluss besitzen. „Ost-Eliten“ sind hierbei jene, die in der DDR geboren oder nach dem 3. Oktober 1990 in den neuen Bundesländern oder Ostberlin geboren und/oder aufgewachsen sind und deren Eltern aus der DDR stammen.

Eine ‚West-Vorherrschaft’ im Märchenfilm nach 1990?

Zwar gibt es einige wenige Statistiken, die den Anteil der Ostdeutschen an den gesamtdeutschen Eliten bemessen (vgl. Kollmorgen 2021), doch gilt landläufig die Meinung, dass sich ostdeutsche Künstlerinnen und Künstler „im vereinten Vaterland noch am besten behauptet“ haben (Eckert 2021, S. 283).

Dennoch finden sich selten valide Erhebungen, die sich tiefergehend dem Kulturbetrieb, zum Beispiel der Filmbranche widmen. Schon gar nicht dem bundesdeutschen Märchenfilm, der aber vor dem Hintergrund der 40-jährigen DDR-Märchenfilmgeschichte und des anhaltenden gesamtdeutschen Märchenfilmbooms seit Mitte der 2000er-Jahre einen näheren Blick lohnt und Fragen aufwirft.

Gibt es heute (oder immer noch) eine sogenannte „Repräsentationslücke“ (Kollmorgen 2021, S. 231) von DDR-sozialisierten Filmemacherinnen und -machern, oder umgekehrt gefragt eine ‚West-Vorherrschaft’, im bundesdeutschen Märchenfilm nach 1990? Und wenn ja, wie groß ist diese, was sind hierfür die Gründe und folgen daraus unmittelbare Defizite?

Die Abwicklung von DFF und DEFA

Als die DEFA, das ehemalige staatliche Filmstudio der DDR, 1992 von der Treuhandanstalt an einen französischen Mischkonzern verkauft wird, blickt es in seiner über 45-jährigen Geschichte auf etwa 40 Schauspieler-Märchenkinofilme zurück. Zudem produziert die DEFA für den staatlichen Deutschen Fernsehfunk (DFF, 1956–1971, 1990–1991) bzw. das Fernsehen der DDR (1972–1990) etwa 20 Märchenfernsehfilme bzw. -spiele.

Filmstudio Potsdam-Babelsberg: Hier befand sich das VEB DEFA-Studio für Spielfilme / © Studio Babelsberg AG

Filmstudio Potsdam-Babelsberg: Hier befand sich das VEB DEFA-Studio für Spielfilme / © Studio Babelsberg AG


Ihr künstlerisches Niveau, lobenswerte Leistungen der Schauspielstars und dramaturgisch gut durchdachte Geschichten machten viele der Märchenadaptionen – trotz einer mal mehr, mal weniger durchschimmernden Ideologie – damals wie heute zu Filmklassikern, die sogar in den Westen exportiert und dort in TV und Kino gezeigt wurden. Dennoch fielen mit der Abwicklung von DEFA und DFF schlagartig zwei Institutionen weg, die diese Märchenfilme produzierten. Das daran beteiligte künstlerische Personal verlor von heute auf morgen seine gesicherte Existenz.

Neuanfang in unbekanntem Produktionsmarkt

„Das Telefon stand plötzlich still“, erinnerte sich später der Filmkomponist Peter M. Gotthardt in einem Interview an die Nachwendezeit – und meinte damit die ausbleibenden Aufträge. Gotthardt, der mit der Filmmusik zu „Die Legende von Paul und Paula“ (DDR, 1973, R: Heiner Carow), aber auch zum DEFA-Märchenfilm „Schneeweißchen und Rosenrot“ (DDR, 1979, R: Siegfried Hartmann) zu den wichtigsten DDR-Filmkomponisten zählte, schaffte den Neuanfang in einem gänzlich unbekannten Produktionsmarkt mit hohem Konkurrenzdruck. Vielen anderen Kolleginnen und Kollegen gelang das allerdings nicht.

Schneeweißchen und Rosenrot (DDR 1979): Er zählt zu den zehn erfolgreichsten DEFA-Märchenfilmen / © MDR

Schneeweißchen und Rosenrot (DDR 1979): Er zählt zu den zehn erfolgreichsten DEFA-Märchenfilmen / © MDR


Das hatte auch damit zu tun, dass sich – auf das Märchenfilmgenre bezogen – die Nachfolger des DFF, die 1992 neu gegründeten ARD-Landesrundfunkanstalten Mitteldeutscher Rundfunk (MDR) und Ostdeutscher Rundfunk Brandenburg (ORB, seit 2003: Rundfunk Berlin-Brandenburg, kurz: RBB) erst einmal neu aufstellen mussten (vgl. Wiedemann 2017, S. 215). Die Produktion neuer Märchenfilme stand nicht auf der Tagesordnung. Das künstlerische DEFA-Märchenfilmerbe schien vorerst niemanden zu interessieren.

Einige ‚Überläufer’ in Fernsehen und Kino

Mit wenigen Ausnahmen: MDR und ORB übernahmen 1992 gemeinsam mit dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) und dem Sender Freies Berlin (SFB) die Endproduktion von „Sherlock Holmes und die sieben Zwerge“ (TV-Erstausstrahlung: 10.5.1992). Gedreht wurde die 8-teilige Fantasy-Serie nach Motiven der Brüder Grimm noch von der bereits abgewickelten DEFA-Studio Babelsberg GmbH (vgl. Wiedemann 2015, S. 9).

Sherlock Holmes und die sieben Zwerge (D 1992): DDR-Star Alfred Müller als Kriminalhauptkommissar / © MDR/RBB

Sherlock Holmes und die sieben Zwerge (D 1992): DDR-Star Alfred Müller als Kriminalhauptkommissar / © MDR/RBB


Der Filmstab gehörte fast ausschließlich zum früheren DEFA-Personal: Die Regie übernahm der ehemalige DDR-Regisseur Günter Meyer (u. a. „Spuk unterm Riesenrad“, 1978), der bis Anfang der 2000er-Jahre weiter Akzente im Fantasy-Fach setzte.

Zudem starteten sogenannte ‚Überläufer’ wie „Das Licht der Liebe“ (DDR/D 1991) und „Olle Hexe“ (DDR/D 1991), die bereits vor dem 3. Oktober 1990 abgedreht, aber erst danach im gesamtdeutschen Kino uraufgeführt wurden.

Stabile Strukturen und Netzwerke im Westen

Der frühe gesamtdeutsche Märchenfilm nach 1990 wurde dennoch von den Akteurinnen und Akteuren in den etablierten alten Bundesländern geprägt. Hier gab es Strukturen und Netzwerke, die über Jahrzehnte gewachsen waren und sich weiter als stabil erwiesen. So führte das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) Anfang der 1990er-Jahre seine Reihe „Die Welt des Märchens“ fort. Darin verfilmte der öffentlich-rechtliche Sender in Koproduktion mit der ČSSR (später: ČSFR und ČZ) sowie westeuropäischen Fernsehanstalten bekannte Märchen für Kino und TV.

Des Kaisers neue Kleider (ČZ/D/ES/I 1994): Harald Juhnke (2. v. r.) spielte die Titelfigur / © ZDF

Des Kaisers neue Kleider (ČZ/D/ES/I 1994): Harald Juhnke (2. v. r.) spielte die Titelfigur / © ZDF


Opulente Produktionen wie „Dornröschen“ (ČSSR/D/F 1990), „Der Reisekamerad“ (ČSSR/D/F/I/AT 1990), „Der Froschkönig“ (ČSFR/D/F/I 1991), „Schneewittchen und das Geheimnis der Zwerge“ (ČSFR/D/I/ES 1992) oder „Des Kaisers neue Kleider“ (ČZ/D/ES/I 1994) rekrutierten ihr Personal dabei ausschließlich aus populären westdeutschen Schauspielstars, wie Iris Berben, Judy Winter, Michael Degen oder Harald Juhnke, und tschechoslowakischen Filmschaffenden.

Ebenso verfuhr die ARD, die „Das Zauberbuch“ (ČZ/D 1996) mitproduzierte, oder der Bayerische Rundfunk (BR), der sich an „Der Feuervogel“ (ČZ/D 1997) und „Die Seekönigin“ (ČZ/D 1998) beteiligte. Ostdeutsches Personal war auch hier, aufgrund der beteiligten westdeutschen Landesrundfunkanstalt (BR), so gut wie nicht vertreten.

Die Seekönigin (ČZ/D 1998): Die tschechische Schauspielerin Ivana Chýlková in der Titelrolle / © ZDF

Die Seekönigin (ČZ/D 1998): Die tschechische Schauspielerin Ivana Chýlková in der Titelrolle / © ZDF


Für westliche Entscheidungsträgerinnen und -träger in ARD und ZDF kamen Ostdeutsche auch deshalb nicht infrage, weil etwaige künstlerische Positionen in den TV-Redaktionen oder Filmstäben ohnehin bereits besetzt waren. Eine Neu- oder Umverteilung war nicht gewollt.

Ostdeutsche Aspirantinnen und Aspiranten wurden nicht zuletzt diskreditiert („Bolschewistenfunk“), weil sie nach Ansicht der westdeutschen Elite mit ihrer (künstlerischen) Arbeit das DDR-Regime direkt oder indirekt gestützt hätten. Und das, obwohl nach dessen Ende das DEFA- und DFF-Personal über berufliche Qualifikationen und notwendiges Fachwissen verfügte.

Lichtblick am Ende der 1990er-Jahre

Da wirkte es wie eine große Überraschung als Ende der 1990er-Jahre der frühere DEFA-Regisseur Rolf Losansky „Hans im Glück“ (D 1999) vorlegte – und dabei auf ein proportional ausgeglichenes hochkarätiges Ost-West-Schauspielensemble zurückgriff. Der Grund dafür mag darin gelegen haben, dass den von der Westberliner Genschow-Film GmbH produzierten Märchenfilm neben dem Westdeutschen Rundfunk (WDR) auch der in Potsdam ansässige ORB und der 1997 im thüringischen Erfurt gestartete ARD-/ZDF-Kinderkanal (seit 2012: KiKA) mitfinanzierte, für den der MDR bis heute verantwortlich ist.

Hans im Glück (D 1999): Ost (Fred Delmare, r.) und West (Andreas Bieber) vor der Kamera / © Genschow-Film

Hans im Glück (D 1999): Ost (Fred Delmare, r.) und West (Andreas Bieber) vor der Kamera / © Genschow-Film


Und auch wenn der Posten des KiKA-Programmgeschäftsführers von 1997 bis 2017 mit westdeutsch sozialisierten männlichen Entscheidungsträgern besetzt wurde (seit 2018: Astrid Plenk aus Bernburg/Sachsen-Anhalt), ist es denkbar, dass sich schon Ende der 1990er-Jahre die Redaktionen zum Teil aus ostdeutschem Personal zusammensetzten – und sich dieser Umstand auf die Märchenfilm-Produktionsplanung (Regie, Drehbuch, Schauspiel etc.) auswirkte.

Märchen-Parodien in Kino und TV für Erwachsene

Dennoch ging von „Hans im Glück“ vorerst keine Trendwende aus. Schlichtweg aus dem einfachen Grund, weil das deutsche Märchenfilmgenre Anfang der 2000er-Jahre keine wichtigen Adaptionen nach Grimm, Andersen und Co. für ein Kinderpublikum produzierte. Fragen nach einer ‚West-Dominanz’ oder einer ‚Ost-Verdrängung’ spielten deshalb vorerst noch keine Rolle.

Gleichwohl war das Märchen weiter präsent: als Parodie in Kino und TV für Erwachsene. So funktionierten die von Otto Waalkes mitproduzierten Filmkomödien „7 Zwerge – Männer allein im Wald“ (D 2004) und „7 Zwerge – Der Wald ist nicht genug“ (D 2006) an den Kinokassen. Und im Privatsender ProSieben flimmerte „Die Märchenstunde“ (D/AT/ČZ 2006–2012) der Rat Pack Filmproduktion (München) über die Bildschirme.

7 Zwerge – Männer allein im Wald (D 2004): Das West-Ensemble war meist unter sich / © Universal Pictures

7 Zwerge – Männer allein im Wald (D 2004): Das West-Ensemble war meist unter sich / © Universal Pictures


Hier wie dort griffen die Filmverantwortlichen auf westdeutsches Personal zurück, das vor oder hinter der Kamera agierte, wenn man von wenigen im Osten geborenen Schauspielstars (Nina Hagen, Mirco Nontschew, Jeanette Biedermann etc.) einmal absah.

„Sechs auf einen Streich“ und „Märchenperlen“

Ab Mitte der 2000er-Jahre erlebte der Märchenfilm im öffentlich-rechtlichen Rundfunk von ARD und ZDF ein Comeback. Die meist an den Weihnachtsfeiertagen erstmalig gezeigten Adaptionen der Reihen „Märchenperlen“ (ZDF, seit 2005, auch Koproduktionen) und „Sechs auf einen Streich“ (ARD, seit 2008) richteten sich dabei sowohl an ein Kinder- als auch Familienpublikum.

Dafür gründete die Kinder- und Jugendredaktion des ZDF Anfang der 00er-Jahre eine Art ‚Think Tank’, dem auch der Münchner Filmproduzent Ernst Geyer angehörte. Die Denkfabrik sollte eine Konzeption für zunächst sechs Märchenfilme entwickeln. Darin wurden auch fünf Drehbuchautoren und eine Drehbuchautorin aus den alten Bundesländern berufen. Mitfinanziert wurden die ersten vier Märchenfilme (2005–2008) neben der Länderförderung Bayern und Hamburg von der in Leipzig ansässigen Mitteldeutschen Medienförderung (vgl. Ungureit 2009, S. 10f.).

Ostdeutsche im ARD- und ZDF-Märchenfilm

Um tendenzielle Aussagen darüber zu treffen, ob und wie viele DDR-sozialisierte Filmemacherinnen und -macher das bundesdeutsche Märchengenre mitpräg(t)en, soll der Blick stichprobenartig auf die Bereiche Regie und Drehbuch gelenkt werden.

Bis 2021 drehte das ZDF 19 Märchenfilme*, an denen insgesamt 13 Regisseure (10) und Regisseurinnen (3) beteiligt waren. Davon sind zwei (15 Prozent)** im Osten geboren: Karola Hattop, die seit 1973 Kinder- und Familienfilme für das DDR-Fernsehen und später für das ZDF zwei Märchenfilme („Die sechs Schwäne“, 2012 und „Die Schneekönigin“, 2014) inszenierte, sowie Carsten Fiebeler („Die goldene Gans“, 2013), der erst nach der Wende als Regisseur arbeitete. Koproduziert wurden diese drei ZDF-Märchenfilme von der im Jahr 2000 im thüringischen Erfurt gegründeten Kinderfilm GmbH (später: Mideu Films GmbH).

Die sechs Schwäne (D 2012): Sinja Dieks und André Kaczmarczyk in den Hauptrollen / © ZDF/Steffen Junghans

Die sechs Schwäne (D 2012): Sinja Dieks und André Kaczmarczyk in den Hauptrollen / © ZDF/Steffen Junghans


Anders als beim ZDF verteilt sich die Produktion der ARD-Märchenfilme auf die neun Landesrundfunkanstalten. Die in der DDR geborene ehemalige RBB-Mitarbeiterin Sabine Preuschhof koordinierte die Reihe „Sechs auf einen Streich“ in den ersten Jahren. Werden die 52 ARD-Adaptionen bis 2021 im Hinblick auf Ost-West-Besetzung ausgewertet, zeigt sich folgendes Bild: Von insgesamt 26 Regisseuren (20) und Regisseurinnen (6) haben fünf (19 Prozent) eine Ost-Sozialisation**.

Fürneisen und Fiebeler gehören zu Top-Regisseuren

Darunter ist Bodo Fürneisen, der bei fünf ARD-Märchenfilmen auf dem Regiestuhl sitzt – er wird nur übertroffen vom westdeutschen Regisseur Christian Theede mit sechs NDR-Adaptionen. Fürneisen hatte bereits für das DDR-Fernsehen die Klassiker „Die Geschichte vom goldenen Taler“ (DDR 1985) sowie „Die Weihnachtsgans Auguste“ (DDR 1988) inszeniert. Fiebeler kommt insgesamt auf vier ARD-Adaptionen und zeigt, dass man in ZDF und ARD erfolgreich Märchen verfilmen kann.

Die Weihnachtsgans Auguste (DDR 1988): Dietrich Körner spielte den Opernsänger Ludwig Löwenhaupt / © MDR

Die Weihnachtsgans Auguste (DDR 1988): Dietrich Körner spielte den Opernsänger Ludwig Löwenhaupt / © MDR


Dabei verantwortet die fünf Fürneisen-Märchenfilme und eine Fiebeler-Adaption die in Potsdam ansässige Landesanstalt RBB. Fiebelers drei andere ARD-Verfilmungen entstehen zwar unter Federführung der westdeutschen Anstalten Hessischer Rundfunk (HR) bzw. Südwestrundfunk (SWR), werden aber zum Teil von der Kinderfilm GmbH produziert: „Das blaue Licht“ (D 2010).

Nur wenige ‚ostdeutsche’ Märchenfilm-Drehbücher

Bei zwei weiteren mit Osthintergrund (Regie) gedrehten Filmen ist neben Radio Bremen (RB), dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) und dem HR auch der MDR als Koproduzent vertreten. Einen weiteren Märchenfilm verantwortet die in Leipzig ansässige Landesanstalt ganz allein, wobei zudem die Kinderfilm GmbH das Märchen im Auftrag des MDR produziert.

Im Hinblick auf eine Ost-West-Sozialisation von Drehbuchautorinnen und -autoren im ZDF- und ARD-Märchenfilm zeigt sich ein ähnliches Bild: Von insgesamt 17, die an den „Märchenperlen“ beteiligt sind, hat nur ein Drehbuchschreiber (6 Prozent) einen ostdeutschen Hintergrund**. Dieser ist aber an drei ZDF-Märchenfilmen beteiligt. Bei den ARD-Produktionen haben von insgesamt 28 Autorinnen und Autoren vier (14 Prozent) einen ostdeutschen Hintergrund**. Zwei davon arbeiten allerdings gleich an drei Märchenfilmen mit.

Von „Das kalte Herz“ zu „Timm Thaler“

Einzelne Kinofilme in den 2010er-Jahren wie die Filmmärchen „Aschenbrödel und der gestiefelte Kater“ (D 2013) und „Das Märchen von der Prinzessin, die unbedingt in einem Märchen vorkommen wollte“ (D 2013, koproduziert vom BR), aber auch das nach einer klassischen Vorlage entstandene „Das kalte Herz“ (D 2016, koproduziert u. a. von ARD/MDR/SWR und mitfinanziert u. a. von Mitteldeutsche Medienförderung und Medienboard Berlin-Brandenburg) entstehen wieder weitgehend mit westdeutsch sozialisierten Filmschaffenden, wobei letztere Märchenverfilmung mit André M. Hennicke und Jule Böwe zwei ostdeutsch sozialisierte Schauspielstars engagiert.

Das kalte Herz (D 2016): Frederick Lau als Peter Munk, der sein Herz tauscht / © Weltkino Filmverleih GmbH

Das kalte Herz (D 2016): Frederick Lau als Peter Munk, der sein Herz tauscht / © Weltkino Filmverleih GmbH


Eine Ausnahme stellt die fantastische Romanverfilmung „Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen“ (D 2017) dar, die u. a. von den im thüringischen Gera geborenen Andreas Dresen (Regie) und Jörg Hauschild (Schnitt) sowie von der aus Potsdam stammenden Sabine Greunig (Kostüme) inszeniert wurde. Ostdeutsche wie Charly Hübner, Nadja Uhl, Reiner Heise oder Steffi Kühnert, aber auch die westdeutschen Schauspieler Justus von Dohnányi, Axel Prahl oder Bjarne Mädel machten den u. a. vom ZDF koproduzierten Kinofilm zu einem gesamtdeutschen Projekt.

Ostanteil proportional zur Gesamtbevölkerung

Demnach sind seit 1990 in Deutschland über 100 Märchenfilme entstanden, die entweder vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ARD, ZDF) oder von freien Produktionsfirmen hergestellt wurden. Doch untermauern die Statistiken und Filmbeispiele die These, dass es im bundesdeutschen Märchenfilm heute noch eine „Repräsentationslücke“ von DDR- oder ostdeutsch-sozialisierten Filmemacherinnen und -machern gibt?

Vor dem Hintergrund, dass etwa 17 Prozent aller Bundesbürgerinnen und Bundesbürger ostdeutscher Herkunft sind (vgl. Kollmorgen 2021, S. 235) und diese Zahl als Vergleichsgröße gilt, wirkt der Regieanteil im öffentlich-rechtlichen Rundfunk von 19 Prozent (ARD: „Sechs auf einen Streich“) und 15 Prozent (ZDF: „Märchenperlen“) sowie der Drehbuchanteil von 14 Prozent (ARD: „Sechs auf einen Streich“)** relativ proportional. Nur der ‚ostdeutsche’ Drehbuchanteil am ZDF-Märchenfilm von 6 Prozent ist unterproportional.**

Die Zahlen zeigen zudem wenig überraschend, wenn die beiden ‚Ost-Landesanstalten’ RBB und MDR an Märchenfilmen der ARD-Reihe „Sechs auf einen Streich“ beteiligt sind, werden für die Posten Drehbuch und Regie ebenso ostdeutsche Künstlerinnen und Künstler interessant. Zudem wirkt sich die Beteiligung ostdeutscher Produktionsfirmen, beispielsweise der „Kinderfilm-GmbH“, auf den Anteil im Osten sozialisierter Akteure und Akteurinnen aus.

ARD-Landesanstalten mit ‚Lokalpatriotismus’

Dennoch lässt das nicht pauschal den Schluss zu, die in Thüringen bzw. Sachsen-Anhalt ansässige Firma arbeite vorrangig mit ostdeutschem Personal, im Unterschied zu im Westen ansässigen Produktionsfirmen.

Dafür spricht, dass „Kinderfilm“ auch ZDF-Märchenfilme verantwortete, die eine westdeutsche Regisseurin (Anne Wild: „Hänsel und Gretel“, 2006) oder einen westdeutschen Regisseur (Frank Stoye: „Der Zauberlehrling“, 2017; „Der süße Brei“, 2018) rekrutierten. Das gilt auch für die von „Kinderfilm“ produzierten ARD-Märchenfilme „König Drosselbart“ (D 2008), „Die Gänsemagd“ (D 2009) und „Rotkäppchen“ (D 2012) – alle in der Regie der Münchnerin Sibylle Tafel.

Rotkäppchen (D 2012): Der Wolf (Edgar Selge) mit der Titelfigur (Amona Aßmann) im Wald / © HR/Felix Holland

Rotkäppchen (D 2012): Der Wolf (Edgar Selge) mit der Titelfigur (Amona Aßmann) im Wald / © HR/Felix Holland


Trotzdem scheint es, dass „Kinderfilm“ – im Gegensatz zu im Westteil Deutschlands ansässigen Produktionsfirmen – ein Stück weit sensibilisierter mit der Rekrutierung von Filmschaffenden umgeht. Andererseits kann dem Unternehmen, wie auch einigen ost- und westdeutschen ARD-Landesrundfunkanstalten allgemein vorgehalten werden, dass sie einen ‚Lokalpatriotismus’ bedienen, das heißt: vor allem Filmschaffende engagieren, die auf dem Gebiet der jeweiligen Rundfunkanstalt oder eines Bundeslandes leben und für den Sender bereits arbeiten.

Im Umkehrschluss heißt das aber auch: Wenn RBB und MDR keine oder weniger im Osten sozialisierte Künstlerinnen und Künstler rekrutieren würden, lägen die Anteile bei Regie und Drehbuch deutlich unter dem erwähnten quantitativen Minderheitenstatus der Ostdeutschen an der Gesamtbevölkerung (17 Prozent). Denn die anderen sieben im Westen ansässigen Landesanstalten NDR, RB, WDR, HR, SWR, BR und Saarländischer Rundfunk (SR) würden das mit dem von ihnen engagierten Ostpersonal nicht auffangen.

Die ostdeutsche Übernahme

Doch wie wirkt sich der Ost-Regieanteil von 19 bzw. 15 Prozent sowie -Drehbuchanteil von 14 bzw. 6 Prozent auf die öffentlich-rechtliche Märchenfilmproduktion** aus? Folgen daraus unmittelbare Defizite?

Glaubt man Josef Göhlen, ehemaliger Leiter des Kinderprogramms beim HR und ZDF, so ist es genau umgekehrt: Der heutige bundesdeutsche Märchenfilm ist eigentlich ein DEFA-Märchenfilm 2.0. Denn für Göhlen orientieren sich die ARD- und ZDF-Märchen „an einer tradierten Märchendramaturgie, wie sie seinerzeit insbesondere von der ostdeutschen Produktionsfirma DEFA gepflegt wurde“ (Gangloff 2016, S. 8f.). Damit meint er, dass darin die Armen und Unterdrückten immer zu den im ethischen Sinn Guten, die Reichen dagegen durchgehend zu den Bösen zählten. Er halte es für einen großen Fehler, diese Dramaturgie nachzuahmen.

Das tapfere Schneiderlein (DDR 1956): König Griesgram (Fred Kronström), Prinz Eitel (Horst Drinda), Prinzessin Liebreich (Gisela Kretzschmar) gelten in dem DEFA-Märchenfilm als die Bösen / © MDR

Das tapfere Schneiderlein (DDR 1956): König Griesgram (Fred Kronström), Prinz Eitel (Horst Drinda), Prinzessin Liebreich (Gisela Kretzschmar) gelten in dem DEFA-Märchenfilm als die Bösen / © MDR


Die Schweizer Filmkritikerin Christine Lötscher meint, dass sich die ARD- und ZDF-Adaptionen zudem gestalterisch „an der historisierenden Ästhetik der DEFA-Märchenfilme“ (Lötscher 2017, S. 310) orientieren. Und: Wie den DDR-Produktionen liege dem öffentlich-rechtlichen Märchenfilm „eine Analyse und Interpretation der Textvorlage zugrunde; die zeitlosen Konflikte der Figuren werden konkretisiert, psychologisiert und in die Gegenwart übertragen“ (ebd. S. 311). Allerdings gelinge es eher selten, den ganz eigenen Zauber der DEFA-Filme zu reproduzieren.

Daraus wäre auf die hier diskutierte Frage zu schließen, dass sich seit 1990 keine westdeutsche „Übernahme“ in der gesamtdeutschen Märchenfilmproduktion, sondern umgekehrt eine ostdeutsche „Übernahme“ vollzogen hat – wenn auch ‚nur’ in dramaturgischer und gestalterischer Hinsicht.

Diversität: Frauenanteil und Migrationshintergrund

Gleichwohl bleibt damit die Frage nach einer angemessenen personellen ostdeutschen Teilhabe in der bundesdeutschen Märchenfilmproduktion bestehen. Flankiert wird sie allerdings im 21. Jahrhundert mit der Forderung nach einer generellen Diversität in diesem Filmgenre: Die stichprobenartigen Statistiken zeigten beispielsweise, dass der Frauenanteil – nicht nur im Regie- und Drehbuchfach – sehr gering ist.

Zudem sind Filmschaffende mit Migrationshintergrund noch Ausnahmen. Der deutsch-türkische Regisseur Cüneyt Kaya („Das Märchen vom goldenen Taler“, 2020), der in Istanbul geborene Regisseur und Drehbuchautor Su Turhan („Die drei Federn“, 2014; „Prinzessin Maleen“, 2015; „Der starke Hans“, 2020) oder der in Vietnam geborene Kameramann und Regisseur Ngo The Chau (u. a. „Die Hexenprinzessin“, D/CZ, 2020) sind drei Beispiele. Ebenso lassen sich hier der Finne Hannu Salonen („Des Kaisers neue Kleider“, 2010) oder die in Stockholm geborene deutsche Regisseurin Maria von Heland („Die Sterntaler“, 2011; „Der Teufel mit den drei goldenen Haaren“, 2013) nennen.

Die Hexenprinzessin (ČZ/D 2020): Zottel (Charlotte Krause), Prinz (Jerry Hoffmann), Bero (J. Vogel) / © ZDF/Conny Klein

Die Hexenprinzessin (ČZ/D 2020): Zottel (Charlotte Krause), Prinz (Jerry Hoffmann), Bero (J. Vogel) / © ZDF/Conny Klein


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Die Frage nach einer ‚West-Dominanz’ oder einer ‚Ost-Verdrängung’ im deutschen Märchenfilmgenre sollte deshalb um andere Gruppen (Frauen, Migrationshintergrund) in den nächsten Jahren erweitert werden. Um das personelle Defizit ausgeglichener zu gestalten, braucht es nicht unbedingt starre Quotenregelungen. Dafür sensibilisierte Filmschaffende in den Chefinnen- und Chefetagen wären schon einmal ein Anfang.

* Ohne den Märchenfilm „Zwerg Nase“ (D, 2008, R: Felicitas Darschin). Dieser entstand im Auftrag des BR, wird aber zu den ZDF-„Märchenperlen“ gezählt, obwohl der Sender nicht daran beteiligt war.

** Die Herkunft der Filmschaffenden wurde in öffentlichen Quellen (Internet, Fachmedien) recherchiert und/oder individuell bei den Künstlerinnen und Künstlern angefragt (E-Mail). Da nicht zu allen Filmschaffenden die Herkunft recherchiert werden konnte, können die Zahlen prozentual leicht abweichen (Stand: 24.3.2022).

Verwendete Quellen:


Headerfoto: Die kluge Bauerntochter (BRD 2010): Die Titelfigur (Anna Maria Mühe, l.) und ihre Freundin die Magd (Sabine Krause) bestaunen das Fernrohr des Königs / Foto: MDR/Sandy Rau

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Obwohl sie in den Märchenvorlagen gar nicht vorkommen, bedient der westdeutsche Märchenfilm dennoch Klischees über Sinti und Roma – mit hexenhafter Wahrsagerin, listigem Dieb oder tanzender Schaustellerin.

Dass auch im Märchen bestimmte Einzelpersonen oder Gruppen „durch die Art ihrer Charakterisierung und durch den Handlungsverlauf diskriminiert werden“ (Geiger 1981, Sp. 691), ist hinlänglich bekannt. So werden beispielsweise Berufe wie Müller und Schneider verhöhnt. Oder das weibliche Geschlecht ist verächtlich in den Märchenvorlagen dargestellt (Hexe, böse Stiefmutter, treulose Ehefrau etc.).

Manchmal wird „der Fremde Gegenstand diskriminierender Darstellung. Ausländer wie Ortsfremde werden in Witzen verspottet […]“ (ebd.). Zudem werden ihnen bestimmte Merkmale zugeordnet, die sich in negativen Vorurteilen niederschlagen – und eine Ungleichbehandlung rechtfertigen sollen.

„Gefährliche Betrüger“ und „listige Diebe“

Zu den Opfern von Diskriminierung zählen auch religiöse oder ethnische Minderheiten, wie Juden oder Sinti und Roma1 (Fremdbezeichnung: ‚Zigeunerin’ und ‚Zigeuner’2, entlehnt aus ital. zingaro, ungar. czigány, frz. tsiganes), die jahrhundertelang verfolgt und ausgegrenzt werden.

Erscheinen Juden als „Habgierige“ und „Geizhälse“, so finden sich ‚Zigeuner’ als „gefährliche Betrüger“ und „listige Diebe“ in Volkserzählungen wieder. Mehr noch: „[E]ine Ursprungssage macht den Teufel (und nicht Gott) zum Schöpfer der Roma“ (Geiger 1981, Sp. 692).

Vincent van Gogh (1853–1890): ‚Zigeuner’-Lager mit Pferdewagen (1888) / © Gemeinfrei/Wikimedia Commons

Vincent van Gogh (1853–1890): ‚Zigeuner’-Lager mit Pferdewagen (1888) / © Gemeinfrei/Wikimedia Commons


Diese und andere kruden Theorien stützen sich auf eine „negative Stammesstereotypik“, die schon der in Ingelheim am Rhein geborene Humanist (sic!) Sebastian Münster (1488–1552) in seiner „Cosmographia“ – ein spätmittelalterliches Weltlexikon, das 1544 erstmals erscheint – beschreibt. So seien die ‚Zigeuner’

ein ongeschaffen / schwartz / wuest und onfletig volck / das sunderlich gern stilt […] lebt wie die hund / ist kein religion bey ine / ob sie schon jre kinder vnder Christen lassen tauffen (Harmening 2005, S. 476).

„Anweisung zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens“

Die Vorurteile fußen auf der Angst vor dem ‚Fremden’, das diese Minderheit vermeintlich verkörpert. Denn zu der Zeit, als Münster seinen Lexikoneintrag verfasst, erreichen Sinti – eine Teilgruppe der Roma – aus Nordwestindien kommend Mittel- sowie Westeuropa und somit auch den deutschen Sprachraum (vgl. Kenrick 2007, Sp. 730). Die Einheimischen stehen den ‚anders’ („schwartz“= dunklerer Teint) aussehenden Menschen aber skeptisch gegenüber.

Jene Skepsis verschwindet in den folgenden Jahrhunderten nicht. ‚Zigeunern’ wird durchweg ein kriminelles Verhalten nachgesagt. Und: „[I]nsbesondere der Umstand, dass ein kleiner, aber eben im Alltag sichtbarer Teil von ihnen, im Wesentlichen aufgrund ihrer gewerblichen Tätigkeit, nicht sesshaft war, wich von den als ‚normal’ empfundenen bürgerlichen Lebensvorstellungen ab“ (Jochheim 2017).

Da verwundert es kaum, dass beispielsweise der preußische Innenminister und spätere Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg (1856–1921) am 17. Februar 1906 die „Anweisung zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens“ erlässt. Diese zielt wenig überraschend darauf ab, dass „Umherziehen“ zu verbieten und „Straftaten“ vorzubeugen (vgl. ThULB).

Verfolgung, Vertreibung und Vernichtung

Den vorläufigen Höhepunkt des sogenannten Antiziganismus – eine besondere rassistische Einstellung gegenüber ‚Zigeunern’ – markieren die zwölf Jahre der NS-Herrschaft. Durch die „Nürnberger Gesetze“ vom September 1935 verlieren Sinti und Roma ihre Bürgerrechte; sie werden in der gesetzlichen Verfolgung den Juden gleichgestellt.

Verfolgung, Vertreibung und Vernichtung nehmen ihren Lauf. Am Ende fordert der Völkermord an Sinti und Roma – ausgehend von zurückhaltenden Schätzungen, die zumeist auf statistischen Angaben aus der NS-Zeit beruhen – europaweit bis zu 500.000 Opfer (vgl. Jochheim 2017). Allein in Deutschland und Österreich sterben etwa 25.000 Menschen.

Historisch tradierte Klischees über Sinti und Roma

Obgleich es mehrere Untersuchungen zum literarischen bzw. medialen Bild von Sinti und Roma in der deutschen Kinder- und Jugendliteratur nach 1945 gibt, hat sich die Forschung dem deutschen Märchenfilm unter diesem Gesichtspunkt bisher wenig gewidmet.

Ein Grund ist, dass in den europäischen Märchenvorlagen „die Figur des Zigeuners eine sehr geringe Rolle [spielt], in Grimms Hausmärchen erscheint sie überhaupt nicht“ (Wolters 2015). Da der deutsche Märchenfilm vor allem das Grimm’sche Erbe adaptiert, ist die Annahme, dass auch hier keine ‚Zigeunerinnen’ oder ‚Zigeuner’ zum Figurenensemble gehören.

Doch in die dramaturgischen Bearbeitungen, hier: im westdeutschen Märchenfilmgenre, werden Charaktere neu aufgenommen, die den bis heute historisch tradierten Klischees von Sinti und Roma entsprechen. Es sind Fantasien der Mehrheit über eine Minderheit, die wir schon aus anderen Filmgenres kennen, die aber für den Märchenfilm noch nicht untersucht wurden.

Königin verkleidet sich als Sintiza

Dass gerade der frühe westdeutsche Märchenfilm der 1950er- und 1960er-Jahre für solche Stereotype anfällig und wenig sensibilisiert ist, überrascht kaum. Denn diese Dekaden werden noch stark von der NS-Vergangenheit überschattet und sind von negativen Sinti-und-Roma-Bildern geprägt. Dass diese in populären Grimm-Verfilmungen auftreten können, zeigt „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ (BRD, 1955, R: Erich Kobler).

Schneewittchen und die sieben Zwerge (1955): Die Königin (Addi Adametz, l.) als verkleidete Sintiza / © Schongerfilm

Schneewittchen und die sieben Zwerge (1955): Die Königin (Addi Adametz, l.) als verkleidete Sintiza / © Schongerfilm


In der Vorlage versucht die Königin dreimal, Schneewittchen wegen seiner Schönheit zu töten: in Verkleidung einer „alten Krämerin“, eines „alten Weibes“ und „einer Bauersfrau“ (Grimm 1980, S. 269–278). In der Adaption erinnert das Masken- und Kostümbild der Königin, als sie ihrer Stieftochter einen vergifteten Kamm verkaufen möchte, an eine Sintiza. Zudem verstellt sie ihre Stimme und spricht mit osteuropäischem Akzent. Offenbar mit Erfolg: Der Märchenfilm erhält von der Filmbewertungsstelle (FBW) Wiesbaden das Prädikat: „besonders wertvoll“.

Hexenhafte Wahrsagerin statt böser Stiefmutter

Ein weiteres Beispiel ist der Märchenfilm „Hänsel und Gretel“ (BRD, 1954, R: Fritz Genschow): Hier ist es die gute, leibliche Mutter, die sich von einer hexenhaften, Karten legenden Wahrsagerin („die alte Traude“) überreden lässt, dass titelgebende Geschwisterpaar vorübergehend im Wald auszusetzen. Dort sollen Brote an den Bäumen wachsen sowie Milch und Honig fließen.

Sowohl in „Hänsel und Gretel“ als auch in „Schneewittchen“ treten weibliche Figuren mit stereotypen Sintizze-Eigenschaften somit als negative Charaktere auf, die den positiven Identifikationsfiguren bzw. Heldinnen und Helden schaden.

Hänsel und Gretel (1954): Die Familie betrauert den Tod ihrer Hausziege / © Medienproduktion/Vertrieb Genschow

Hänsel und Gretel (1954): Die Familie betrauert den Tod ihrer Hausziege / © Medienproduktion/Vertrieb Genschow


In „Hänsel und Gretel“ entfällt zudem die Rolle der bösen Stiefmutter, weil der Märchenfilm „ein möglichst harmonisches Familienbild präsentieren [möchte], das die Folgen des Krieges (unvollständige bzw. zersplitterte Familien) nicht negativ konnotiert“ (Schlesinger 2022, S. 103).

Diese Rolle wird nun von einer Figur besetzt, die Sintizze-Klischees bedient. Die Fähigkeit des Wahrsagens aus Karten wird im Übrigen bis heute Sinti und Roma zugesprochen, so bietet der Handel sogenannte „Zigeuner-Wahrsagekarten“ an (Piatnik-Verlag).

‚Zigeuner’-Romantik in „König Drosselbart“

Der romantischen Tradition des ‚Zigeuner’-Bildes folgt dagegen die Grimm-Verfilmung „König Drosselbart“ (BRD, 1962, R: Fritz Genschow). Hier wird die schöne Schaustellerin namens Geraldine neu ins Figurenensemble aufgenommen. Sie tanzt mit ihrem ebenfalls neu hinzugenommenen Bruder Rudolfi, einem ‚fahrenden’ Sänger, auf Marktplätzen und hilft der Titelfigur König Drosselbart, eine hochmütige Prinzessin zu ändern. Dabei findet die Nebenfigur der ‚schönen Zigeunerin’ ihren Ursprung in der Epoche der Romantik (1795–1840).

György Vastagh (1834–1922): Die unglücklichen ‚Zigeuner’ (1886) / © Gemeinfrei/Wikimedia Commons

György Vastagh (1834–1922): Die unglücklichen ‚Zigeuner’ (1886) / © Gemeinfrei/Wikimedia Commons


Im Rückgriff auf Miguel de Cervantes’ (1547–1616) „La gitanilla“ (1613, dt.: „Das Zigeunermädchen“) oder Johann Wolfgang Goethes (1749–1832) Mignon aus „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ (1795/96) – als Musterbeispiel für die Figur der ‚schönen Zigeunerin’ – „tritt [sie] in vielen romantischen Gedichten, Singspielen, Dramen, Märchen, märchenhaften Erzählungen und Romanen als Titel- oder Hauptfigur auf und läßt sich als die Muse der romantischen Poesie ansehen“ (Solms 1998, [H. i. O.]).

‚Fahrendes Volk’ in den 1980er-Jahren

Der Märchenfilm schließt an diese Tradition an – auch wenn der Literatur- und Medienwissenschaftler Wilhelm Solms zu Recht die Frage stellt: „Sind diese Bilder aber geeignet, die Achtung vor den Sinti und Roma und ihrer Kultur zu wecken oder zu bestärken?“ (ebd.)

Frau Holle (1985): Der gerettete Jakob (Tobias Hoesl) fühlt sich im Himmel sichtlich wohl / © ZDF

Frau Holle (1985): Der gerettete Jakob (Tobias Hoesl) fühlt sich im Himmel sichtlich wohl / © ZDF


Frau Holle (1985): Der erwachsene Jakob (Tobias Hoesl) mit Todesgöttin Frau Hippe (Valerie Kaplanová) / © ZDF

Frau Holle (1985): Der erwachsene Jakob (Tobias Hoesl) mit Todesgöttin Frau Hippe (Valerie Kaplanová) / © ZDF


Die charakterlich positiv gezeichneten Nebenfiguren Geraldine und Rudolfi bringen zusätzlich den Begriff des ‚fahrenden Volks’ in die Debatte, mit dem die z. T. nicht sesshaften Sinti und Roma in Verbindung gebracht werden. Der deutsche Märchenfilm nutzt dieses Bild später mehrfach, z. B. in der Koproduktion „Frau Holle“ (BRD/ČSSR/AT, 1985, R: Juraj Jakubisko), in dem aber nur einzelne Motive des Grimmmärchens verwendet werden.

Darin wird ein Waisenjunge namens Jakob, der mit einem Wanderzirkus unterwegs ist, von Frau Holle gerettet. Er hilft ihr im Himmel beim Betten schütteln bis er als junger Mann wieder auf der Erde landet. Jakob ist – neben der Titelfigur, gespielt von Giulietta Masina, sowie dem fleißigen (Elisabeth) und faulen (Dora) Mädchen – die männliche Haupt- und Identifikationsfigur.

Auch in „König Drosselbart“ (BRD/ČSSR, 1984, R: Miloslav Luther) ist eine Gaukler-Truppe Teil des Figurenensembles. Sie hilft – ebenso wie 1962 – der Titelfigur König Drosselbart alias König Michael/Jan dabei, einer stolzen Prinzessin (Anna) eine Lektion zu erteilen.

König Drosselbart (1984): Die Titelfigur (Lukáš Vaculík) mit Prinzessin Anna (Adriana Tarábková) / © ZDF

König Drosselbart (1984): Die Titelfigur (Lukáš Vaculík) mit Prinzessin Anna (Adriana Tarábková) / © ZDF


Zwar wird hier wie dort das ‚fahrende Volk’, deren Angehörige bis heute oft als Außenseiter, Abenteurer und Nichtstuer gelten, differenzierter dargestellt. Die Drehbuchideen dieser Koproduktionen gehen dabei aber auf slowakische (Juraj Jakubisko, Ľubomír Feldek, Miloslav Luther, Tibor Vichta) und nicht auf deutsche Autoren zurück.

„Die Heinzelmännchen“ nach August Kopisch

Ressentiments, die sich sowohl auf ethnische Minderheiten (Sinti und Roma) als auch auf Nationalitäten beziehen und sich in einer Figur vereinen, treten im Märchenfilm „Die Heinzelmännchen“ (BRD, 1956, R: Erich Kobler) auf. Das Drehbuch geht auf eine Ballade zurück, die 1836 August Kopisch (1799–1853) verfasst.

In den acht Strophen des Gedichts textet er augenzwinkernd („Wie war zu Köln es doch vordem / Mit Heinzelmännchen so bequem!“), wie die kleinen Hausgeister nachts helfen und alle Arbeit verrichten. Bis zu dem Tag, an dem eine neugierige Schneidersfrau Erbsen streut. Die Heinzelmännchen rutschen aus – und verschwinden für immer.

Die Heinzelmännchen (1956): Die kleinen Wichtel werden im Märchenfilm von Kindern gespielt / © Schongerfilm

Die Heinzelmännchen (1956): Die kleinen Wichtel werden im Märchenfilm von Kindern gespielt / © Schongerfilm


Um das kurze Gedicht filmisch zu verlängern, werden der Adaption neue Figuren und Parallelhandlungen hinzugefügt. Diese Vorgehensweise hat zudem einen Vorteil: Die im Fall eines FBW-Prädikats gewährten Steuervorteile sind in den 1950er-Jahren an eine Mindestfilmlänge gebunden. Diese beträgt je nach Bundesländern zwischen 1.500 und 2.000 Metern.

Das entspricht 54 bis 73 Minuten Spielzeit. Westdeutsche Märchenfilm-Produzenten sind deshalb daran interessiert, aus wirtschaftlich-finanziellen Gründen auch quantitative Standards zu berücksichtigen. Für „Die Heinzelmännchen“ in einer Länge von ca. 75 Minuten geht die Rechnung auf: Er wird mit dem Prädikat „wertvoll“ ausgezeichnet.

„Bin ich Ladislaw Boleslaw Stibitzki“

In einer neu hinzugefügten Parallelhandlung steht die Figur Ladislaw Boleslaw Stibitzki im Mittelpunkt. Ladislaw (dt.: Ladislaus) wird im Märchenfilm als jemand eingeführt, der schon rein äußerlich in das geordnete bürgerliche Leben einer deutschen Kleinstadt im 19. Jahrhundert nicht passt: Er trägt zerlumpte Kleidung, die mit Flicken notdürftig zusammengehalten wird.

Ein großer schwarzer Hut mit breiter Krempe verdeckt sein ungekämmtes, schwarzes Haar. Er ist unrasiert und macht einen schmutzigen Eindruck. Ladislaw will sich zu Beginn der Filmhandlung durch das Stadttor schleichen, an dem allerdings Wachpersonal patrouilliert. Er wird von den uniformierten Wächtern aufgegriffen und zur Rede gestellt.

Die Heinzelmännchen (1956): Ladislaw Boleslaw Stibitzki (Toni Straßmair) wird vom Wachpersonal gejagt / © Schongerfilm

Die Heinzelmännchen (1956): Ladislaw Boleslaw Stibitzki (Toni Straßmair) wird vom Wachpersonal gejagt / © Schongerfilm


Auf die Frage „Wer bist du?“ antwortet er in gebrochenem Deutsch, mit hörbar osteuropäischem Akzent und falscher Syntax: „Bin ich Ladislaw Boleslaw Stibitzki.“ Da Ladislaw und Boleslaw populäre polnische Vornamen sind, wird ihm eine (fremde) Nationalität zugewiesen. Der polnisch klingende Familienname mit dem Suffix -ki enthält zudem das Verb „stibitzen“, das ursprünglich der Studentensprache zugehörig ist.

Es bedeutet „auf listige Weise entwenden, an sich bringen“ (Duden 1997, S. 711). Ladislaw wird demnach nicht nur visuell (Maske, Kostüm), sondern namentlich einer bestimmten Gruppe (hier: Nationalität) zugeordnet, gegen die negative Vorurteile bestehen. Zusätzlich wird er in einer darauffolgenden Szene durch einen Stadthauptmann als „Dieb“ und „Gauner“ beschrieben und am Ende mit Hilfe der Heinzelmännchen „gestellt“.

„Die Heinzelmännchen“ startet in der DDR

Die Figurenzeichnung von Stibitzki stützt sich dabei auf Vorurteile, die bereits im „Dritten Reich“ sowohl über Sinti und Roma als auch über Polinnen und Polen kursierten, z. B. Diebstahl, Unsauberkeit, List etc., und in der frühen BRD unkritisch übernommen werden. Denn nach 1945 endet keineswegs die gesellschaftliche und staatliche Diskriminierung der Sinti und Roma.

Just im Jahr 1956, in dem „Die Heinzelmännchen“ in den westdeutschen Kinos startet, entscheidet der Bundesgerichtshof, dass Sinti und Roma keinen Anspruch auf finanzielle Entschädigung haben:

Sie seien zwar von den Nationalsozialisten rechtsstaatswidrig, grausam und unmenschlich behandelt worden. Jedoch sei dies nicht – wie es für eine Entschädigung erforderlich gewesen wäre – bis zum Jahr 1943 rassistisch motiviert gewesen, sondern habe letztlich polizeiliche Gründe gehabt. (vgl. BGH 2016)

Erst 1963 wird dieses Urteil aufgehoben.

Dass „Die Heinzelmännchen“ als einer der wenigen westdeutschen Märchenfilme in den DDR-Kinos anläuft (Start: 23.12.1960), zeigt, dass ebenso der sozialistische Teil Deutschlands historisch tradierte Klischees nicht beanstandet. Das Beispiel „Die Heinzelmännchen“ wiegt umso schwerer, da die Volksrepublik (VR) Polen als ein sogenanntes Bruderland der 1949 gegründeten DDR gilt – das Verhältnis aber nichtsdestotrotz bis zum Ende (1989/90) schwierig bleibt.

„Zweite Verfolgung“ von Sinti und Roma

Fazit: Die westdeutschen Märchenfilme „Die Heinzelmännchen“, „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ sowie „Hänsel und Gretel“ machen abschließend dennoch deutlich, dass es nach 1945 im Land der Täterinnen und Täter in diesem Filmgenre punktuell zu einer medialen „zweiten Verfolgung“ kommt.

Die Heinzelmännchen (1956): Ladislaw Boleslaw Stibitzki (Toni Straßmair) ist unerwünscht / © Schongerfilm

Die Heinzelmännchen (1956): Ladislaw Boleslaw Stibitzki (Toni Straßmair) ist unerwünscht / © Schongerfilm


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MEHR ZUM THEMA
Zurück in die Zukunft: Der Märchenfilm in der BRD (1949–1990)
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Diese geht einher mit dem damaligen offiziellen Bild von Sinti und Roma, das in der Mehrheitsgesellschaft der BRD kursiert. Erst die westdeutschen Koproduktionen der 1980er-Jahre zeigen mit „Frau Holle“ und „König Drosselbart“ ein differenziertes Bild (‚fahrendes Volk’), obgleich auch dieses nicht frei von Klischees und Vorurteilen ist.

Filme: (in Reihenfolge der Nennung)

  • „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ (BRD, 1955, R: Erich Kobler)
  • „Hänsel und Gretel“ (BRD, 1954, R: Fritz Genschow)
  • „König Drosselbart“ (BRD, 1962, R: Fritz Genschow)
  • „Frau Holle“ (BRD/ČSSR/AT, 1985, R: Juraj Jakubisko)
  • „König Drosselbart“ (BRD/ČSSR, 1984, R: Miloslav Luther)
  • „Die Heinzelmännchen“ (BRD, 1956, R: Erich Kobler)

Anmerkungen:

  • 1 Aus Gründen der Leseflüssigkeit wird im Text ausnahmsweise das generische Maskulinum Sinti und Roma verwendet statt Sinti und Sintizze sowie Roma und Romnja.
  • 2 Ich habe mich dafür entschieden, dass sogenannte Z-Wort zu benennen, schreibe es aber in einfachen Anführungsstrichen (‚Zigeunerin’, ‚Zigeuner’), um auf den diskriminierenden Gebrauch dieses Begriffs hinzuweisen. Aus Gründen der Leseflüssigkeit wird im Text ausnahmsweise das generische Maskulinum dieses Begriffs ‚Zigeuner’ verwendet statt ‚Zigeunerinnen’ und ‚Zigeuner’.

Verwendete Quellen:

  • Brüder Grimm: Snewittchen. In: Kinder- und Hausmärchen. Ausgabe letzter Hand mit den Originalanmerkungen der Brüder Grimm. Mit einem Anhang sämtlicher, nicht in allen Auflagen veröffentlichter Märchen und Herkunftsnachweisen hrsg. von Heinz Rölleke. Stuttgart, 1980, Bd. 1, S. 269–278.
  • Bundesgerichtshof (BGH): Gemeinsames Symposium des Bundesgerichtshofs und des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma. Pressemitteilung Nr. 42/16 vom 17.2.2016 (abgerufen: 24.5.2023)
  • Duden. Etymologie. Herkunftswörterbuch der deutschen Sprache. Bearbeitet von Günther Drosdowski. Nach den Regeln der neuen deutschen Rechtschreibung, überarbeiteter Nachdruck der 2. Auflage. Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich, 1997
  • Geiger, Klaus F.: Diskriminierung. In: Enzyklopädie des Märchens. Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung. Begründet von Kurt Ranke. Hrsg. von Rolf Wilhelm Brednich zusammen mit Hermann Bausinger, Wolfgang Brückner, Helge Gerndt, Lutz Röhrich und Klaus Roth. Bd. 3. Berlin/New York, 1981, Sp. 688–697.
  • Harmening, Dieter: Zigeuner. In: Ders.: Wörterbuch des Aberglaubens. Stuttgart, 2005, S. 475–477.
  • Jochheim, Gernot: Sinti und Roma. In: Informationen zur politischen Bildung (izpb) (vom: 7.1.2017, abgerufen: 23.5.2023)
  • Kenrick, Donald: Sinti, Roma. In: Enzyklopädie des Märchens. Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung. Begründet von Kurt Ranke. Hrsg. von Rolf Wilhelm Brednich zusammen mit Hermann Bausinger, Wolfgang Brückner, Helge Gerndt, Lutz Röhrich und Klaus Roth. Bd. 12. Berlin/New York, 2007, Sp.730–748.
  • Schlesinger, Ron: „Führer“, Verräter, entwertete Väter: Der König im deutschen Märchenspielfilm. Eine figurenanalytische Betrachtung des Genres im „Dritten Reich“ und im Nachkriegsdeutschland. Hamburg, 2022
  • Solms, Wilhelm: Zigeunerbilder deutscher Dichter. In: Bausteine. Zwischen Romantisierung und Rassismus. Sinti und Roma. Hrsg. von der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg. Stuttgart, 1998
  • Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB): Anweisung zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens (vom: 17.2.1906, abgerufen: 23.5.2023)
  • Wolters, Ute: Sinti und Roma. In: KinderundJugendmedien.de (vom: 11.8.2015, aktualisiert: 10.10.2021, abgerufen: 23.5.2023)

Weiterführende Literatur:

Josting, Petra/Roeder, Caroline/Reuter, Frank/Wolters, Ute (Hrsg.): „Denn sie rauben sehr geschwind jedes böse Gassenkind“: „Zigeuner“-Bilder in Kinder- und Jugendmedien. Göttingen, 2017

Headerfoto: Toni Straßmair als Ladislaw Boleslaw Stibitzki in „Die Heinzelmännchen“ (BRD 1956) / Foto: Schongerfilm