Im Spreewald ist der Bär zurück – aber nur im ARD-Märchenfilm „Der Prinz im Bärenfell“. Die Geschichte über einen schönen Königssohn, der vom Teufel in ein Ungeheuer verzaubert wird, ist auch im Kleinen Spreewaldpark bei Berlin und in Südbrandenburg gedreht worden. Erster TV-Sendetermin ist der 26. Dezember 2015 um 15 Uhr in der ARD.
Wer im Märchen einen Pakt mit dem Teufel schließt, triumphiert meist über den Höllenfürsten. Zwar setzt der Beelzebub alles daran, die Seele eines Menschen einzufangen. Am Ende findet sich der Teufel dennoch in der Rolle des „betrogenen Betrügers“ (Freund) wieder. Dabei geraten oftmals arme Soldaten in seine Fänge, wie im Grimm-Märchen „Der Bärenhäuter“: Sieben Jahre muss ein Soldat in einem Mantel aus Bärenfell durch die Welt ziehen. Wenngleich er immer genügend Dukaten in seiner Tasche findet, darf er sich weder waschen noch kämmen.
Der Soldat besteht die Probe – und behält seine Seele. Prinzen laufen hingegen seltener dem Teufel über den Weg. Eher sind es böse Feen oder Zwerge, die Königssöhne verwünschen oder einen Deal aushandeln, der für die Prinzen unvorteilhaft ist. Ein bekanntes Beispiel ist der DEFA-Märchenfilm „Das singende, klingende Bäumchen“ (1957, R: Francesco Stefani, DDR). Hier paktiert ein Zwerg mit einem schönen, aber naiven Prinzen, der „ein Bär sein will“, wenn es ihm nicht gelingt, eine hochmütige Prinzessin zu erobern.
Prinz Marius geht dem Teufel ins Netz
Er schafft es nicht und darf als Tierbräutigam, in Gestalt eines Bären, um die Hand der Königstochter anhalten. Nur durch die Kraft der Liebe kann er erlöst werden. Genau diese Märchenmotive – ein faustischer Pakt, eine böse Verwünschung und eine schwierige Prüfung – stecken auch im neuen ARD-Märchenfilm „Der Prinz im Bärenfell“. Darin geht der schöne, aber hedonistische Prinz Marius (Max Befort) dem Teufel (Wilfried Hochholdinger) wortwörtlich ins Netz. Der Höllenfürst lässt ihn nur unter einer Bedingung wieder frei:
Er muss einen Pakt mit ihm schließen. Der Prinz soll innerhalb von 40 Tagen ein Mädchen finden, das ihn aufrichtig liebt. Gelingt es ihm, darf der Königssohn seine Seele behalten. Was einfach klingen mag, weil der schöne Marius praktisch jede haben kann, entpuppt sich plötzlich als schwierig. Denn der Teufel verzaubert ihn zuvor in ein zotteliges Biest – halb Mensch, halb Tier – vor dem alle Angst haben. Keiner erkennt in ihm den Prinzen. Es scheint, dass Marius die Wette mit dem Teufel verliert. Doch dann lernt er die junge schöne Elise (Mira Elisa Goeres) kennen.
Tiermaske vermittelt Gefährlichkeit und Verletzlichkeit
Damit erinnert Drehbuchschreiber David Ungureit an Madame Leprince de Beaumonts „Die Schöne und das Tier“, in dem eine Kaufmannstochter den in ein Tier verzauberten Prinzen erlöst. Jean Cocteaus Verfilmung dieses französischen Feenmärchens, „La Belle et la Bête“ (1946), hat zu seiner Zeit Maßstäbe in Kostüm und Maske gesetzt – vor allem für das Aussehen der Bestie, die Jean Marais spielt. In seiner Tiergestalt „verschmelzen animalische und [menschliche] Züge, woraus sich der Eindruck imaginärer Fremdartigkeit ergibt“ (Liptay).
In „Der Prinz im Bärenfell“ setzt das Maskenbildner-Team um Annett Schulze, Natalia Jaik, Anja Rimkus und Filiz Riech mit seiner Tiergestalt auf eine ähnliche Wirkung. Als sich Prinz Marius in eine Bestie mit behaarter Gesichtshaut verwandelt, wirkt er zwar furchteinflößend, doch seine großen braunen Augen und sein sympathischer Mund lassen dennoch das Menschliche in seinem Wesen erahnen. Die Maske vermittelt damit einerseits Gefährlichkeit und Wildheit, andererseits Sanftheit und Verletzlichkeit – ein mehrdimensionales Geschöpf entsteht.
Böses geht nicht vom Teufel, sondern vom Menschen aus
Ähnlich facettenreich erscheint auch der Teufel. Typische Merkmale, wie Hörner, Schwanz oder ein „garstige[r] Pferdefuß“ (Grimm), fehlen allerdings. Vielmehr zieht ihm Kostümbildnerin Daniela Thomas einen roten Galliano-Mantel an und setzt ihm einen schwarzen verbeulten Zylinder auf. Das Rot kann dabei symbolisch für das Feuer der Hölle stehen, das Schwarz vermittelt eher den Gegenpol zum Licht, aber auch das Abgründige in seinem Charakter. Dennoch: So böse ist er in „Der Prinz im Bärenfell“ nicht, eben eine klassische „Schwankfigur“ (Freund).
Der Teufel besetzt damit auch den komischen Rollenpart, ist tolpatschig, bisweilen schusselig und gerät am Ende in die eigene Falle. Nein, das Böse, Heimtückische, Grausame verkörpert nicht etwa der Höllenfürst, sondern Nebenfiguren, die im Umfeld der weiblichen Heldin Elise zu finden sind. Das ist insofern interessant, weil nicht vom Teufel als übernatürlichem Wesen die größte Gefahr auszugehen scheint, sondern von menschlichen Wesen: Elises Tante Hedwig (Inga Busch) und deren Sohn Kilian (Kieran West).
Zwei gegensätzliche Settings in „Der Prinz im Bärenfell“
Beide schikanieren das Mädchen, grenzen es aus. Trotzdem lässt sich Elise nicht unterkriegen, bewahrt ihr gutes Herz. Das zeigt sich, als sie dem Untier – der verzauberte Prinz – im Wald das Leben rettet. Ihre Tante und ihr Cousin hätten es bei einer Hetzjagd fast getötet. Elise versteckt das zottelige Biest heimlich in einer Scheune, überwindet ihre anfängliche Angst, pflegt seine Wunden, freundet sich mit ihm an, denn: „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“ (de Saint-Exupéry)
Nicht ganz, würde wohl Szenenbildner Oliver Munck sagen, der für den Märchenfilm die Drehorte ausgesucht hat. Dabei tariert er die zwei gegensätzlichen Settings in „Der Prinz im Bärenfell“ sicher aus: hier der wildromantische Kleine Spreewaldpark in Schöneiche bei Berlin, in dem sich die Bestie vor den Menschen versteckt, dort das königliche Schloss Belvedere auf dem Pfingstberg in Potsdam. Die Drehorte werden aber nicht nur als märchenhafte Staffage genutzt. Kameramann Guntram Franke spielt in den Filmkulissen mit Licht und Schatten.
Große Schattenspiele des Filmexpressionismus
Hier bleibt vor allem eine Szene in Erinnerung: Als sich der in ein Untier verzauberte Prinz Marius nachts um das Schloss schleicht, kündigt sich ein Gewitter mit Blitzen an. Dabei wirft der Körper des Untiers durch die Lichtblitze immer wieder einen großen Schatten an die Wand – es wirkt umso gefährlicher. Mehr noch ist es aber dieser kontrastive Wechsel von Licht und Schatten, „das berühmte Helldunkel des deutschen Films“ (Eisner), mit dem der Märchenfilm den fantastischen Filmexpressionismus der 1920er-Jahre zitiert.
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Andererseits versucht der ARD-Märchenfilm auf erzählerischer Ebene, den Charakter von Figuren psychologisch zu erklären. Dazu zählt Prinz Marius‘ Tick, immer glatt rasiert zu sein und nach Parfum zu riechen. Frühe Kindheitserfahrungen sind dafür verantwortlich. Trotzdem: Im Märchenfilm darf der Grund für ein Verhalten oder einen Charakter – ähnlich den „Leerstellen“ in vielen Märchenvorlagen – auch der Fantasie des Zuschauers überlassen werden, vor allem dann, wenn dieser für die Logik der Geschichte und das Happy End nicht wichtig ist.
Film: „Der Prinz im Bärenfell“ (2015, R: Bodo Fürneisen, BRD). Ist auf DVD erschienen.
Drehorte: u. a.
- Kleiner Spreewaldpark, Berliner Straße 1 A, 15566 Schöneiche bei Berlin
- Schloss Belvedere, Pfingstberg, Neuer Garten, 14469 Potsdam
- Stadtbad Neukölln, Ganghoferstraße 3, 12043 Berlin
- Hof Hedwig, Willischzaweg, 03096 Burg/Spreewald
- eine Wiese bei Leipe, 03226 Leipe/Spreewald
Literatur:
- Brüder Grimm: Kinder- und Hausmärchen. Ausgabe letzter Hand mit den Originalanmerkungen der Brüder Grimm. Mit einem Anhang sämtlicher, nicht in allen Auflagen veröffentlichter Märchen und Herkunftsnachweisen hrsg. von Heinz Rölleke. Stuttgart, 2007, Bd. 2, S. 87.
- Eisner, Lotte H.: Die dämonische Leinwand. Hrsg. von Hilmar Hoffmann und Walter Schobert. Frankfurt am Main, 1980.
- Freund, Winfried: Märchen. Köln, 2005, S. 106.
- Liptay, Fabienne: WunderWelten. Märchen im Film. Remscheid, 2004, S. 250f.
- Saint-Exupéry, Antoine de: Der kleine Prinz. Ins Deutsche übertragen von Grete und Josef Leitgeb. Mit Zeichnungen des Verfassers. Düsseldorf, 1956.
Weiterführende Literatur:
Kawan Shojaei, Christine: Tierbraut, Tierbräutigam, Tierehe, in: Enzyklopädie des Märchens. Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung. Hrsg. von Rolf Wilhelm Brednich u. a. Berlin/New York 2010, Bd. 13, Sp. 555-565.
Headerfoto: Max Befort als Prinz und Bär in „Der Prinz im Bärenfell“ / Bilder: rbb/Thomas Ernst (l.), rbb/Daniela Incoronato (r.)