Märchenfilme über eine Gans mit goldenen Federn – und die Abenteuer, die ein junger Mann mit ihr erlebt – entstanden bisher auf Burg Trausnitz im bayrischen Landshut, in den DEFA-Filmstudios in Potsdam-Babelsberg und für eine ZDF-Produktion in Thüringen auf Schloss Burgk und in den Wäldern um die Stadt Tambach-Dietharz.
Geld macht nicht glücklich. Gold schon. Noch besser: eine goldene Gans. Über die lacht eine traurige Königstochter, weil an den Federn des wunderlichen Vogels viele Neugierige, wie drei habgierige Wirtshaustöchter, Pfarrer, Küster und Bauern, kleben bleiben – und ein komisches Bild abliefern. Ein Dummling, dem die goldene Gans gehört, darf die Königstochter heiraten – weil er sie zum Lachen gebracht hat. Dabei steckt im Grimm’schen Märchen „Die goldene Gans“, das bereits in der Erstauflage 1812 der „Kinder- und Hausmärchen“ erscheint, viel mehr.
Das zeigt vor allem auch der Original-Titel des Märchens: „Von dem Dummling“. Es geht um einen jungen Burschen, der sich nicht gerade auf der Sonnenseite des Lebens befindet: Verachtet und verspottet wird er und „bei jeder Gelegenheit zurückgesetzt“ (Brüder Grimm 1980, S. 346). Dabei hat der Kerl das Herz auf dem richtigen Fleck – und ist zudem nicht auf den Kopf gefallen. Er braucht halt nur ein bisschen Glück. So stellt ihm das Märchen einen übernatürlichen Helfer – ein altes graues Männchen – zur Seite, mit dessen Hilfe er die goldene Gans findet.
Burg Trausnitz in Landshut: Dreharbeiten vor dem Brand von 1961
Erstmals verfilmt wird das Märchen 1953 in West-Deutschland. Die mittelalterliche Burg Trausnitz im bayrischen Landshut wird zum Schloss der Prinzessin (Ina Peters), die nicht lachen kann. Das möchten – neben vielen anderen Freiern – auch die drei Brüder Siebenmalgescheit (Hans Clarin), Hochhinaus (Wilmut Borell) und der „dumme“ Hans (Klaus Havenstein) ändern. Am Ende schafft es Hans mit Hilfe der sprechenden goldenen Gans, die schon die Mimi in Francesco Stefanis (1923–1989) Märchenfilm „Zwerg Nase“ (BRD 1952) spielt.
Am Anfang des gut einstündigen Märchenfilms ist die Burg Trausnitz von Südwesten aus mit dem hoch aufragenden Bergfried zu sehen, dem sogenannten Wittelsbacher Turm. Dieser stammt aus dem 13. Jahrhundert und zählt damit zu den ältesten Gebäuden der Anlage. Hier – so der Erzähler – „regiert ein milder und guter König über ein großes Reich“. Wenig später schickt der Herrscher, gespielt von Jochen Hauser, Herolde mit der Botschaft aus: „Wer die Prinzessin zum Lachen bringt, bekommt sie zur Frau und das halbe Königreich dazu.“
Auf ihrem Weg in die „entlegensten Winkel des Reiches“ reiten die Herolde durch das große Tor, das in die Hauptburg führt. Der imposante Eingang ist ein weiteres Mal zu sehen, als die ersten Freier ankommen, um die Prinzessin aufzuheitern – aber auch, als sie wieder erfolglos abziehen. Am Schluss des Märchenfilms – als Hans mit der an der Gans klebenden Menschenschlange die Burg erreicht – sind zudem gut die Wehrmauer mit dem hölzernen, überdachten Wehrgang, der Innenhof sowie die Haupttrakte der Burg mit ihren Rundbogenarkaden zu erkennen.
Als die Außenaufnahmen für „Die goldene Gans“ entstehen, ahnt das Filmteam allerdings noch nicht, dass wenige Jahre später – im Oktober 1961 – Teile der Burg Trausnitz bei einem Brand zerstört werden. Das Innere des sogenannten Fürstenbaus stürzt dabei ein. Bis in die späten 1970er-Jahre dauert der Wiederaufbau. Heute erinnert glücklicherweise fast nichts mehr an diese Katastrophe. Und auch Märchen der Brüder Grimm stehen wieder auf dem Programm: zuletzt im Jahr 2014 als Stehpuppenspiel „Dornröschen“ im Torbau-Gewölbe.
Drehorte: u. a.
- Burg Trausnitz 168, 84036 Landshut
- Atelier Inning am Ammersee, 82266 Inning
Film: „Die goldene Gans“ (BRD, 1953, R: Walter Oehmichen). Ist auf DVD erschienen.
Berlin-Adlershof: „Die goldene Gans“ als Fernsehspiel
In der DDR wird das Märchen zweimal verfilmt: Am 25. Dezember 1957 sendet der Deutsche Fernsehfunk (DFF) sein Fernsehspiel „Die goldene Gans“ mit dem Zusatz „das alte Märchen, neu erzählt“. Der TV-Sender führt damit eine Tradition fort, die er bereits 1953 beginnt: Seit diesem Jahr sendet das DFF immer an Weihnachten ein neues Märchen. 1957 sind es sogar zwei: Am Heiligabend flimmert „Die Schneekönigin“ in einer Version von Jewgeni Schwarz (1896–1958) über die Bildschirme, die zuvor im Ostberliner „Theater der Freundschaft“ aufgezeichnet wurde.
Allerdings sind in der DDR damals erst 300.000 Fernsehgeräte angemeldet, das heißt, dass nur wenige die Fernsehspiele überhaupt sehen können. Im Unterschied zu „Die Schneekönigin“ ist „Die goldene Gans“ im Studio von Berlin-Adlershof von Hans-Dieter Schmidt (1926–1988) inszeniert und – nach jetzigem Stand – live gesendet. Wäre das Märchen aufgezeichnet worden, hätte es sich vielleicht im Deutschen Rundfunkarchiv (DRA) erhalten – doch dort ist nichts überliefert. Laut dem Online-Lexikon „Fernsehen der DDR“ kennen wir aber Inhalt und Besetzung.Dabei hält sich das von Karl-Heinz Rahn bearbeitete Märchen an die Grimm’sche Vorlage: Peter teilt das wenige, was er hat, mit einem alten Mann. Der schenkt ihm zum Dank eine goldene Gans, an der alle kleben bleiben. Das erheitert wiederum eine Prinzessin. Sie heiratet Peter am Ende und er wird König. Zum Schauspielensemble zählen neben Lotte Loebinger (1905–1999), die ‚Mutter’ vom Kohlenmunkpeter in „Das kalte Herz“ (DDR 1950), ebenso das ‚tapfere Schneiderlein’ Kurt Schmidtchen (1930–2003) sowie Horst Kube (1920–1976) – der ‚Vater’ vom „Rotkäppchen“ (DDR 1962).
Drehort: Deutscher Fernsehfunk, Studio Berlin-Adlershof, Rudower Chaussee 3, 12489 Berlin
Film: „Die goldene Gans“ (DDR, 1957, R: Hans-Dieter Schmidt). Nicht auf VHS/DVD erschienen.
DEFA-Studio in Potsdam-Babelsberg: „Die goldene Gans“ in Farbe
Wie die Schwarzweiß-Verfilmung von 1957 entsteht die zweite DDR-Adaption auch im Studio – dieses Mal ist es das VEB DEFA-Studio für Spielfilme in Potsdam-Babelsberg –, was dem Farbfilm aber nichts von seinem Charme nimmt: Tolle Darsteller, eine eingängige Titelmusik und neue erzählerische Ideen sorgen für bestes Märchenfilm-Kino. Zwar bringt auch hier der „Dümmling“ Klaus (Kaspar Eichel) die Prinzessin (Karin Ugowski) zum Lachen – und nicht etwa seine faulen und unbeholfenen Brüder Kunz (Uwe-Detlev Jessen) und Franz (Peter Dommisch) –, doch muss der Held zwei weitere Aufgaben bestehen.
Nicht nur weil der König (Heinz Scholz) partout keinen einfachen Kerl als Schwiegersohn haben möchte, sondern weil Prinz Störenfried (Gerhard Rachold) und seine Kumpanen das Land unsicher machen. Gewiss, die Anti-Monarchie-Tendenz des DDR-Märchenfilms (wortbrüchiger König, tölpelhafter Prinz) ist auch hier greifbar. Gut ist aber, dass Klaus‘ Klugheit sowie Mut – mit der Unterstützung seiner Brüder – den Prinz in die Flucht schlagen. Das muss auch der König einsehen und willigt ein, dass Klaus seine Tochter heiratet.
Die Atelierbauten für den Märchenfilm entwerfen Hans-Jörg Mirr (1926–2007), der später für „Der Meisterdieb“ (DDR 1977) das Szenenbild verantworten wird, sowie Georg Kranz (*1934). Auch er wird in den 1970er-Jahren mit seinen Bauten für „Wer reißt denn gleich vor’m Teufel aus“ (DDR 1977) Maßstäbe setzen. Für Teile des im Studio aufgebauten Königsschlosses in „Die goldene Gans“ orientieren sich beide offenbar an der Architektur eines bekannten Bauwerkes in Potsdam, das 1996/97 umfassend saniert wird: dem Nauener Tor (vgl. Rader 2021, S. 116).
Das bereits 1755 errichtete und in den 1860er-Jahren umgebaute Stadttor mit seiner spitzbogen-förmigen Öffnung ähnelt der Torarchitektur, die Mirr/Kranz für den Märchenfilm im Atelier errichten lassen. Der Eingang mit zwei Wachtürmen ist zum Beispiel zu sehen, als Klaus mit der an der goldenen Gans klebenden Menschenschar am Schloss ankommt und über den Innenhof geradewegs in den Thronsaal marschiert. Dieser Innenraum nimmt allerdings verschiedene historisierende Elemente auf und erinnert an kein konkretes historisches Vorbild.
Drehort: VEB DEFA-Studio für Spielfilme, 1502 Potsdam-Babelsberg, August-Bebel-Straße 26–53
Film: „Die goldene Gans“ (DDR, 1964, R: Siegfried Hartmann). Ist auf VHS und DVD erschienen.
Schloss Burgk a. d. Saale: ZDF dreht Märchenfilm in Thüringen
Als das ZDF im Sommer 2013 für eine Neuverfilmung von „Die goldene Gans“ nach einem Königsschloss sucht, entscheiden sich die Produzenten für Schloss Burgk – eine erstmals im 14. Jahrhundert urkundlich erwähnte Anlage, die perfekt in das Setting des Märchenfilms passt: die Renaissance. Darin leben der melancholische König Eduard (Ingo Naujoks), seine strenge Schwester Edeltraud (Ulrike Krumbiegel) – und die traurige Prinzessin Luise (Jella Haase), die auch ein Lächelmeister (Marc Bischoff) nicht aufheitern kann.
Davon erfahren auch die Schreinerbrüder Paul (Roland Schreglmann), Peter (Till Florian Beyerbach) und Till (Jeremy Mockridge), der allerdings nur der Dummling genannt wird. Alle drei leben in einem der schmucken Fachwerkhäuser, die im Hennebergischen Freilichtmuseum Kloster Veßra stehen. Das Areal befindet sich im südlichen Vorland des Thüringer Waldes, dort wo die Flüsse Schleusa und Werra zusammenfließen – und kann von Mai bis September täglich von 9 bis 18 Uhr besichtigt werden (von Oktober bis April täglich von 10 bis 17 Uhr außer montags).
Im Unterschied zu seinen älteren Brüdern hat Till ein gutes Herz. Das zeigt sich, als er beim Holzschlagen im Wald einen hungrigen Bettler (Adolfo Assor) trifft und mit ihm Aschenkuchen und Wasser teilt. Zum Lohn erhält er auch in dem ZDF-Märchenfilm eine schnatternde goldene Gans. Sie gibt ihm den Tipp – ja, Till ist hier der Vogelsprache mächtig –, zur Prinzessin Luise zu gehen und sie damit zum Lachen zu bringen.
Drehbuchschreiber Anja Kömmerling und Thomas Brinx lassen den Helden allerdings zuvor viele Abenteuer bestehen, die am Nordhang des Thüringer Waldes – um Tambach-Dietharz – gedreht werden. Hier machen ein Räubervater (Thorsten Merten) und sein Sohn (Edin Hasanović) die Gegend unsicher. Das erfährt nicht nur Till am eigenen Leib, sondern auch der an Selbstüberschätzung leidende Prinz Amandus (Arndt Schwering-Sohnrey), der um die Hand der Prinzessin anhalten will.
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Märchenhafte Drehorte: Wo der gestiefelte Kater zum Glück verhilft
Märchenhafte Drehorte: Wo der Teufel mit den drei goldenen Haaren haust
Märchenhafte Drehorte: Wo sich die Gänsemagd verliebt
Doch ist es Till, der im Innenhof von Schloss Burgk mit seiner goldenen Gans nebst einer an ihr festklebenden Menschenschlange die Prinzessin zum Lachen bringt. Dabei ist an einer der Hofwände beim genauen Hinsehen auch die kleine Zisterne auszumachen, ein mittelalterlicher Sammelbehälter für Trink- und Nutzwasser, der wie ein Brunnen aussieht. Ansonsten wird der kleine Innenhof durch zusätzliche Schmuckfahnen und Teppiche (Szenenbild: Alexander Wolf) ein wenig aufgehübscht, um ihn edler und königlicher erscheinen zu lassen.
Drehorte:
- Hennebergisches Museum, Anger 35, 98660 Kloster Veßra
- Schloss Burgk, Burgk 17, 07907 Schleiz
- 99897 Tambach-Dietharz
Film: „Die goldene Gans“ (2013, R: Carsten Fiebeler, BRD). Ist auf DVD erschienen.
Verwendete Quellen:
- Brüder Grimm: Die goldene Gans. In: Kinder- und Hausmärchen. Ausgabe letzter Hand mit den Originalanmerkungen der Brüder Grimm. Mit einem Anhang sämtlicher, nicht in allen Auflagen veröffentlichter Märchen und Herkunftsnachweisen hrsg. von Heinz Rölleke. Stuttgart, 1980, Bd. 1, S. 346–350.
- Burg Trausnitz. In: Bayerische Schlösserverwaltung (abgerufen: 17.12.2021)
- Die goldene Gans (1957). In: Fernsehen der DDR. Online-Lexikon der DDR-Fernsehfilme, Fernsehspiele und TV-Inszenierungen (abgerufen: 17.12.2021)
- Fachwerkensemble: Fachwerkhaus aus Witzelroda. In: Hennebergisches Museum Kloster Veßra (abgerufen: 17.12.2021)
- Hans-Jörg Mirr: Filmarchitekt, Szenenbildner. In: Filmmuseum Potsdam. (abgerufen: 17.12.2021)
- Rader, Corinna Alexandra: Von wahren Kunstwelten. Szenographie im DEFA-Märchenfilm. Scenographica. Studien zur Filmszenographie 5. Weimar, 2021.
Headerfoto: Die goldene Gans (D 2013): Till (Jeremy Mockridge) und Prinzessin Luise (Jella Haase) / Foto: ZDF/Katharina Simmet
Dieser Beitrag wurde am 17. Dezember 2021 aktualisiert.