Archiv für den Monat: Mai 2015

Schloss Hartenfels / Foto: Steffen Gericke / Pixelio.de

Drehort Torgau: Märchenklassiker, Grönemeyer-Film, Jugendwerkhof-Drama

Klein-Hollywood an der Elbe: Obgleich die sächsische Kleinstadt Torgau ihre großen Filmauftritte in den 1970er- und 1980er-Jahren hat, pilgern bis heute Fans aus ganz Deutschland zu den Drehorten – und entdecken hier die Filmkulissen von „Dornröschen“ & Co. Dabei erzählen die Drehorte auch etwas über die DDR und die deutsche Teilung.

Torgau, malerisch gelegen an der Elbe, gehört im 15. und 16. Jahrhundert zu den Hot Spots im Kurfürstentum Sachsen. Auf Schloss Hartenfels, dem bis heute bedeutendsten Frührenaissance-Schloss Deutschlands, residieren stolz die sächsischen Kurfürsten. Martin Luther weiht 1544 die Schlosskirche ein. Und auch Kunst-Helden, wie Hofmaler Lucas Cranach d. Ä. und Opern-Komponist Heinrich Schütz, geben sich in der sächsischen Stadt die Klinke in die Hand.

Zeitgleich entstehen damals stattliche Bürgerhäuser mit imposanten Giebeln und Sandsteinportalen. Architektonisches Highlight ist der Marktplatz mit Renaissance-Rathaus und einer der ältesten deutschen Apotheken, die 1503 erbaut wird. Mehr als 280 Einzeldenkmale aus Spätgotik, Renaissance und Barock sind bis heute enthalten – und werden in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu Filmkulissen. Die Residenzstadt wird zur Filmstadt. Drei ganz unterschiedliche Spielfilme entstehen in Torgau, die auch etwas über die DDR und die deutsch-deutsche Geschichte erzählen.

„Dornröschen“ (1970/71): Wendelstein und Innenhof im Schloss Hartenfels

Großer Wendelstein im Schloss Hartenfels / Foto: Ron Schlesinger

Großer Wendelstein im Schloss Hartenfels / Foto: Ron Schlesinger

Als die DEFA, das Filmstudio der DDR, im Sommer 1970 das Grimmsche Märchen „Dornröschen“ verfilmt, entsteht ein Teil der Außenaufnahmen im Torgauer Schloss Hartenfels. Der große Wendelstein wird zum Tatort im Märchenfilm: Die 1536 entstandene freitragende Treppe ohne mittleren Stützpfeiler führt zur Kammer der 13. Fee (Vera Oelschlegel). Dort sticht sich Dornröschen (Juliane Korén) an der Spindel und fällt in den 100-jährigen Schlaf, aus dem es der Prinz (Burkhard Mann) wach küsst.

Allerdings wird diese Szene, wie andere Innenaufnahmen des Märchenfilms, in den DEFA-Studios in Potsdam-Babelsberg gedreht. Gut 40 Jahre später – 2012/13 – erinnert eine Sonderausstellung im Torgauer Stadt- und Kulturgeschichtlichen Museum an den Drehort: In „Dornröschen – ein DEFA-Märchen auf Schloss Hartenfels“ kann der Filmfan originale Kostüme, Requisiten und Kinoplakate sehen. Wer die Ausstellung verpasst hat, darf heute trotzdem auf den Stufen des restaurierten Wendelsteins wandeln. Eintritt frei!

Drehort: Schloss Hartenfels, Schlossstraße 27, 04860 Torgau

Film: „Dornröschen“ (1970/71, Regie: Walter Beck, DDR). Auf DVD erschienen.

„Frühlingssinfonie“ (1982/83): Herbert Grönemeyer auf dem Torgauer Markt

DVD-Cover „Frühlingssinfonie“ / Universum Film GmbH

DVD-Cover „Frühlingssinfonie“ / Universum Film GmbH

Was lange währt, wird gut – denkt sich Anfang der 1980er-Jahre der westdeutsche Regisseur Peter Schamoni, als er endlich nach langem Hin und Her seinen Film „Frühlingssinfonie“ in der DDR drehen darf. Es ist die Zeit der deutsch-deutschen Teilung. Doch die Mauer bekommt schon (kulturpolitische) Risse. So bietet die DEFA damals BRD-Produktionsfirmen an, mit Unterstützung ihrer Ausstatter Filme auf dem Gebiet der DDR zu drehen, darunter „Frühlingssinfonie“. Weniger aus Nächstenliebe, eher wegen harten Devisen in D-Mark.

Im Spätsommer 1982 fällt die erste Klappe. Der Film erzählt die Liebesgeschichte zwischen Komponist Robert Schumann (Herbert Grönemeyer) und Pianistin Clara Wieck (Nastassja Kinski), deren Vater Friedrich Wieck (Rolf Hoppe) – ein Leipziger Instrumentenhändler – gegen diese Beziehung ist. Obwohl dessen Geschäfts- und Wohnhaus historisch korrekt in Leipzig stand, findet das Filmteam den perfekten Drehort am Torgauer Markt: Am Haus mit der Nr. 11 wird in weißen Buchstaben der Schriftzug „Musikalien · Pianos · Friedrich Wieck“ angebracht.

Wohn- und Geschäftshaus Markt 11 / Foto: Ron Schlesinger

Wohn- und Geschäftshaus Markt 11 / Foto: Ron Schlesinger

Kameramann Gerard Vandenberg dreht viele Außenaufnahmen vor dem Haus mit seinen halbrunden großen Schaufenstern. Dabei sind angrenzende Straßen, wie die damals noch unsanierte Schlossstraße, und ein Teil des Marktplatzes zu sehen, auch die Apotheke – in deren Richtung Robert Schumann (Herbert Grönemeyer) rennt, als er eine Kutsche einholen will. 1982 ist Grönemeyer weniger für seine Musik, als für seine Filmrollen bekannt. So spielt er in Wolfgang Petersens „Das Boot“ (1981) mit. Ein gutes Jahr nach der Premiere von „Frühlingssinfonie“ erscheint Grönemeyers Album „4630 Bochum“. Der Rest ist Musikgeschichte.

Drehorte:

  • Markt 11, 04860 Torgau (Wohn- und Geschäftshaus von Friedrich Wieck)
  • Schlossportal mit Wappen, Schlossstraße 27, 04860 Torgau (Konzertreise von Friedrich und Clara Wieck in einer Kutsche)
  • Schlossbrücke mit Bärengraben, Schlossstraße 27, 04860 Torgau (Konzertreise von Friedrich und Clara Wieck in einer Kutsche)
  • Fleischmarkt, 04860 Torgau

Film: „Frühlingssinfonie“ (1982/83, Regie: Peter Schamoni, BRD/AT/CH). Auf DVD erschienen.

Filmausschnitte: Hier klicken

„Jana und Jan“ (1991/92): Schleusentor und Hof im Jugendwerkhof Torgau

Gedenkstätte Geschlossener Jugendwerkhof Torgau / Foto: Ron Schlesinger

Gedenkstätte Geschlossener Jugendwerkhof Torgau / Foto: Ron Schlesinger

Eine ganz andere Liebesgeschichte dreht Filmregisseur Helmut Dziuba Anfang der 1990er-Jahre. Gewiss, auch in einer anderen Zeit. Die Wende in der DDR hat die deutsch-deutsche Teilung beendet. Es wird nach vorn geschaut. Helmut Dziuba schaut aber noch einmal zurück. Er verfilmt Leben und Überleben in einem sogenannten DDR-Jugendwerkhof, einer geschlossenen Anstalt für 14- bis 20-Jährige, die keinen Bock auf Angepasstheit und sozialistische Disziplin haben. Einer der Drehorte ist der ehemalige Jugendwerkhof Torgau.

Dort sitzt der 15-jährige Jan (René Guß) ein – wegen „versuchter Republikflucht“. Am Beginn des Films sieht der Zuschauer von außen das geschlossene schwere Schleusentor des Torgauer Jugendwerkhofs. Dann zeigt die Kamera den grauen Innenhof der Anstalt. Hier steigt Jan in ein Auto, das ihn in einen anderen offenen Jugendwerkhof bringt. Das Tor schließt sich hinter ihm. Heute erinnert an diesen Ort – und vor allem an das Schicksal der jungen Menschen – eine Gedenkstätte. Andere Aufnahmen für „Jana und Jan“ entstehen in einem anderen ehemaligen DDR-Jugendwerkhof: im heutigen Schloss Fürstlich Drehna.

Drehorte:

  • Geschlossener Jugendwerkhof Torgau (heute Gedenkstätte), Fischerdörfchen 15, 04860 Torgau
  • Jugendwerkhof Drehna (heute Schloss Fürstlich Drehna), Lindenplatz 8, 15926 Luckau OT Fürstlich Drehna

Film: „Jana und Jan“ (1991/92, Regie: Helmut Dziuba, BRD). Auf DVD erschienen.

Headerfoto: Schloss Hartenfels in Torgau / Foto: Steffen Gericke / Pixelio.de