Klein-Hollywood an der Elbe: Obgleich die sächsische Kleinstadt Torgau ihre großen Filmauftritte in den 1970er- und 1980er-Jahren hat, pilgern bis heute Fans aus ganz Deutschland zu den Drehorten – und entdecken hier die Filmkulissen von „Dornröschen“ & Co. Dabei erzählen die Drehorte auch etwas über die DDR und die deutsche Teilung.
Torgau, malerisch gelegen an der Elbe, gehört im 15. und 16. Jahrhundert zu den Hot Spots im Kurfürstentum Sachsen. Auf Schloss Hartenfels, dem bis heute bedeutendsten Frührenaissance-Schloss Deutschlands, residieren stolz die sächsischen Kurfürsten. Martin Luther weiht 1544 die Schlosskirche ein. Und auch Kunst-Helden, wie Hofmaler Lucas Cranach d. Ä. und Opern-Komponist Heinrich Schütz, geben sich in der sächsischen Stadt die Klinke in die Hand.
Zeitgleich entstehen damals stattliche Bürgerhäuser mit imposanten Giebeln und Sandsteinportalen. Architektonisches Highlight ist der Marktplatz mit Renaissance-Rathaus und einer der ältesten deutschen Apotheken, die 1503 erbaut wird. Mehr als 280 Einzeldenkmale aus Spätgotik, Renaissance und Barock sind bis heute enthalten – und werden in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu Filmkulissen. Die Residenzstadt wird zur Filmstadt. Drei ganz unterschiedliche Spielfilme entstehen in Torgau, die auch etwas über die DDR und die deutsch-deutsche Geschichte erzählen.
„Dornröschen“ (1970/71): Wendelstein und Innenhof im Schloss Hartenfels

Großer Wendelstein im Schloss Hartenfels / Foto: Ron Schlesinger
Allerdings wird diese Szene, wie andere Innenaufnahmen des Märchenfilms, in den DEFA-Studios in Potsdam-Babelsberg gedreht. Gut 40 Jahre später – 2012/13 – erinnert eine Sonderausstellung im Torgauer Stadt- und Kulturgeschichtlichen Museum an den Drehort: In „Dornröschen – ein DEFA-Märchen auf Schloss Hartenfels“ kann der Filmfan originale Kostüme, Requisiten und Kinoplakate sehen. Wer die Ausstellung verpasst hat, darf heute trotzdem auf den Stufen des restaurierten Wendelsteins wandeln. Eintritt frei!
Drehort: Schloss Hartenfels, Schlossstraße 27, 04860 Torgau
Film: „Dornröschen“ (1970/71, Regie: Walter Beck, DDR). Auf DVD erschienen.
„Frühlingssinfonie“ (1982/83): Herbert Grönemeyer auf dem Torgauer Markt

DVD-Cover „Frühlingssinfonie“ / Universum Film GmbH
Im Spätsommer 1982 fällt die erste Klappe. Der Film erzählt die Liebesgeschichte zwischen Komponist Robert Schumann (Herbert Grönemeyer) und Pianistin Clara Wieck (Nastassja Kinski), deren Vater Friedrich Wieck (Rolf Hoppe) – ein Leipziger Instrumentenhändler – gegen diese Beziehung ist. Obwohl dessen Geschäfts- und Wohnhaus historisch korrekt in Leipzig stand, findet das Filmteam den perfekten Drehort am Torgauer Markt: Am Haus mit der Nr. 11 wird in weißen Buchstaben der Schriftzug „Musikalien · Pianos · Friedrich Wieck“ angebracht.

Wohn- und Geschäftshaus Markt 11 / Foto: Ron Schlesinger
Drehorte:
- Markt 11, 04860 Torgau (Wohn- und Geschäftshaus von Friedrich Wieck)
- Schlossportal mit Wappen, Schlossstraße 27, 04860 Torgau (Konzertreise von Friedrich und Clara Wieck in einer Kutsche)
- Schlossbrücke mit Bärengraben, Schlossstraße 27, 04860 Torgau (Konzertreise von Friedrich und Clara Wieck in einer Kutsche)
- Fleischmarkt, 04860 Torgau
Film: „Frühlingssinfonie“ (1982/83, Regie: Peter Schamoni, BRD/AT/CH). Auf DVD erschienen.
Filmausschnitte: Hier klicken
„Jana und Jan“ (1991/92): Schleusentor und Hof im Jugendwerkhof Torgau

Gedenkstätte Geschlossener Jugendwerkhof Torgau / Foto: Ron Schlesinger
Dort sitzt der 15-jährige Jan (René Guß) ein – wegen „versuchter Republikflucht“. Am Beginn des Films sieht der Zuschauer von außen das geschlossene schwere Schleusentor des Torgauer Jugendwerkhofs. Dann zeigt die Kamera den grauen Innenhof der Anstalt. Hier steigt Jan in ein Auto, das ihn in einen anderen offenen Jugendwerkhof bringt. Das Tor schließt sich hinter ihm. Heute erinnert an diesen Ort – und vor allem an das Schicksal der jungen Menschen – eine Gedenkstätte. Andere Aufnahmen für „Jana und Jan“ entstehen in einem anderen ehemaligen DDR-Jugendwerkhof: im heutigen Schloss Fürstlich Drehna.
Drehorte:
- Geschlossener Jugendwerkhof Torgau (heute Gedenkstätte), Fischerdörfchen 15, 04860 Torgau
- Jugendwerkhof Drehna (heute Schloss Fürstlich Drehna), Lindenplatz 8, 15926 Luckau OT Fürstlich Drehna
Film: „Jana und Jan“ (1991/92, Regie: Helmut Dziuba, BRD). Auf DVD erschienen.
Headerfoto: Schloss Hartenfels in Torgau / Foto: Steffen Gericke / Pixelio.de