Die Geschichte nach Hans Christian Andersen ist bislang selten in Deutschland verfilmt. Obwohl das Märchen mit Schloss und Schweinestall sowie den beiden Hauptfiguren höchst amüsante Gegensätze bietet.
Im Jahr 1926 schaltet die Berliner Firma Jünger & Gebhardt – die erste Adresse für Düfte, Parfüme und Seifen – eine Kinowerbung in der Hauptstadt mit dem Titel „Die Prinzessin und der Schweinehirt“. Die Botschaft: Wer das Herz einer Prinzessin gewinnen möchte, braucht weder Geld noch schöne Geschenke, sondern sollte vor allem gut riechen – am besten nach „Kölnisch Wasser: Lavendel-Orangen“.
Ob der knapp fünfminütige Bildstreifen, mit Zeichnungen von Ernst Pietzker und Fotografien von Gerd Philipp, das Kinopublikum überzeugte, ist nicht bekannt. Dennoch zeigt der Film, dass die (Kino-)Werbung schon vor 100 Jahren auf das sogenannte Storytelling zurückgreift, in der rund um ein Produkt eine Geschichte erzählt wird, die das Publikum kennt und bestenfalls begeistert, zum Beispiel ein Märchen.
Worüber erzählt „Der Schweinehirt“?
Was Hans Christian Andersen (1805–1875) dazu gesagt hätte, der das Märchen 1842 veröffentlicht, wissen wir nicht. Doch vielleicht wäre er sogar ein bisschen stolz darauf, selbst wenn er seine Geschichte ein wenig anders erzählt: Bei ihm wirbt ein armer Prinz mit einer duftenden Rose und einer herrlich singenden Nachtigall um die Hand einer hochmütigen Kaisertochter – allerdings erfolglos, denn sie mag nur künstliche Blumen und Vögel. Daraufhin nimmt er als verkleideter Schweinehirt am Kaiserhof eine Stellung an.
Hier fertigt er kunstvolles, aber eben künstliches Spielzeug: ein Kochtopf, aus dessen Dampf man riechen kann, was in der Stadt gekocht wird, und eine Schnarre (Ratsche), mit der die schönste Musik erklingt. Beides will die Prinzessin haben, aber der Schweinehirt verlangt erst zehn, dann gar 100 Küsse von ihr. Nur widerwillig gibt sie diese ihm. Doch der Kaiser kommt dahinter und jagt beide davon. Zwar gibt sich der Prinz zu erkennen, aber er verachtet jetzt die Prinzessin, weil sie wegen des schnöden Spielzeugs sogar einen Schweinehirten geküsst hatte – und heiratet sie nicht.
Kein Happy End, aber märchenhafte Orte
Das Kunstmärchen ist bislang selten verfilmt, vielleicht auch, weil es eben kein Happy End besitzt. Dabei gilt es in der Erzählforschung als „Meisterstück [mit] seiner Kritik an der Künstlichkeit, an illusionär überzogenen Ansprüchen, lächerlicher Anmaßung“ (Scherf 2007, S. 1064). Um es vorwegzunehmen: Die Drehbuchschreiberinnen und -schreiber haben in den drei deutschen Kino- und Fernsehspielfilmen das Ende so umgeschrieben, dass sich Prinz und Prinzessin am Ende doch kriegen.Bei alldem wird schnell vergessen, dass „Der Schweinehirt“, gerade was filmische Handlungsorte und -schauplätze betrifft, klassische Erwartungen des Publikums bedient: Neben dem Königreich des Prinzen, in dem „ein schöner Rosenstrauch“ blüht, erzählt das Märchen von einem Kaiserreich mit Schloss, in dessen „großem Saal“ Rose und Nachtigall vor der Prinzessin präsentiert werden. Und da ist ja noch der Schweinestall, der bildlich einen lustigen Kontrast zum Adligen, Vornehmen bietet.
Schloss Charlottenburg/Berlin: „Die Prinzessin und der Schweinehirt“ (BRD 1953)
Das findet offenbar auch die Westberliner Infa-Filmproduktion, die 1953 das Märchen verfilmt. Das Drehbuch schreibt Emil Surmann (1912–1972), der zuvor für „Zwerg Nase“ (BRD 1952) das Manuskript verfasste. Spielte das Hauffmärchen aber im bayerischen Memmingen, so heißt der Drehort diesmal Westberlin. Die Filmbauten verantwortet Karl Vollbrecht (1886–1973): Er ist einer der bedeutendsten frühen Filmarchitekten und war schon an „Die Nibelungen“ (D 1924), in der NS-Zeit aber auch am antisemitischen Propagandafilm „Jud Süß“ (D 1940) beteiligt.
Vollbrecht wählt für „Die Prinzessin und der Schweinehirt“ das Schloss Charlottenburg als ersten Drehort, obwohl der mittlere Hauptbau im Zweiten Weltkrieg ausbrannte und die Kuppel einstürzte. Deshalb ist im Film nur ein Foto vom Schloss vor den Zerstörungen zu sehen: Es zeigt die Stadtansicht mit den beiden Borghesischen Fechtern. Ansonsten wird vor allem im Barockgarten auf der Schlossrückseite, an der Großen Orangerie, der Hohen Brücke im Schlosspark sowie in einigen unbeschädigten Schlossinnenräumen gedreht, z. B. der Eichengalerie.
Sie sind das Zuhause von Prinzessin Rosenmund (Liane Croon, 1927–2000) und ihrem Vater, dem Kaiser (Victor Janson, 1884–1960). Zweiter Drehort ist Jagdschloss Grunewald. Hier filmen die Kameramänner Karl Breselow und Hugo O. Schulze (1905–nach 1977) das Eingangsportal mit dem pittoresken Hirschrelief: Es ist im Märchenfilm der Eingang zum Kaiserschloss.
Der Schweinehirt, Prinz Ehrlichherz (Dieter Ranspach, 1926–2017), wohnt schräg gegenüber: in einem im Fachwerkstil erbauten Gebäude neben dem Jagdzeugmagazin. Ob der Innenraum, eine kleine Wohnung mit Ess- und Schlafbereich, im Studio nachgebaut ist oder wirklich zu dem Gebäude gehört, ist bislang noch ungeklärt. Gleichwohl küsst der Schweinehirt die Prinzessin hier zum ersten Mal. Der Schweinestall, der an die Wohnung grenzt, steht aber aller Wahrscheinlichkeit nach im Gutshof Marienfelde, dem dritten wichtigen Drehort.
Drehorte: u. a.
- Gut Marienfelde, 12277 Berlin
- Jagdschloss Grunewald, Hüttenweg 100, 14193 Berlin
- Schloss und Schlossgarten Charlottenburg, Spandauer Damm 10–22, 14059 Berlin (Außen- und Innenaufnahmen)
Film: „Die Prinzessin und der Schweinehirt“ (BRD, 1953, Regie: Herbert B. Fredersdorf). Premiere: 4.10.1953, Filmbühne Wien (Westberlin, Kurfürstendamm 26). Ist noch nicht auf DVD/Blu-ray erschienen.
Fernsehstudio Berlin-Adlershof: „Die Prinzessin und der Schweinehirt“ (DDR 1967)
Nachdem das Dresdner DEFA-Studio für Trickfilme einen Puppentrickfilm nach der Vorlage dreht („Der Schweinehirt“, DDR 1963), zeigt der Deutsche Fernsehfunk vier Jahre später eine Inszenierung aus dem Fernsehstudio Berlin-Adlershof. Die Aufführung nach einer Idee von Peter Ensikat (1941–2013) ist ein Gastspiel des „Theater der Jungen Generation“, das 1949 in Dresden gegründet wurde. Die Ausstattung übernimmt Jochen Hasselwander (*1928), der im Übrigen auch für das Trickfilm-Studio und die Dresdner Staatsoper arbeitet.Zwar ist über das Szenenbild in „Die Prinzessin und der Schweinehirt“ nichts bekannt, doch hat sich der Inhalt der Fernsehinszenierung erhalten: Darin ist die Prinzessin (gespielt von Brigitte Wähner, *1944, Mutter des Schauspielers Jan Josef Liefers) ein gutes Mädchen, das aber der Kaiser (Heinz Kahnemann, *1905) falsch erzieht, weil er alles Natürliche verbietet. Am Ende verlässt die Prinzessin den Hof und beginnt mit dem vermeintlichen Schweinehirten (Roland Wächtler) ein neues Leben.
Drehort: Deutscher Fernsehfunk, Studio Berlin-Adlershof, Rudower Chaussee 3, 12489 Berlin
Film: „Die Prinzessin und der Schweinehirt“ (DDR, 1967, Regie: Harry Erlich). Erstausstrahlung: 25.6.1967/DFF, Wiederholungen: 25.6.1972/DDR 1, 11.8.1975/DDR 1. Ist noch nicht auf DVD/Blu-ray erschienen.
Schloss Wiesenburg/Fläming: „Der Schweinehirt“ (BRD 2017)
Es dauert exakt 50 Jahre bis das deutsche Fernsehen das tragikomische Märchen wiederentdeckt. Die ARD wählt es für ihre Reihe „Sechs auf einen Streich“ aus, deren Premieren immer an den beiden Weihnachtsfeiertagen stattfinden: „Der Schweinehirt“ wird am 26. Dezember 2017 erstmals ausgestrahlt. Und weil die Berliner Neue Schönhauser Filmproduktion den Märchenfilm im Auftrag des Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) herstellt, finden sich die Drehorte sowohl in der Hauptstadt als auch im Umland.
Für das Szenenbild ist Alexander Wolf (* 1962) verantwortlich, der schon den ZDF-Film „Die goldene Gans“ (D 2013) ausstattet. In „Der Schweinehirt“ wohnt der arme Prinz Augustin (Emilio Sakraya, *1996) mit seiner Mutter Königin von Lichterwald (Margarita Broich, *1960) in einem bröckligen Gemäuer, das seine besten Zeiten schon hinter sich hat: Es ist die hochmittelalterliche Burg Rabenstein, in der 1972 auch die DEFA-Filmkomödie „Die Hosen des Ritters von Bredow“ (DDR 1973) gedreht wurde.
Um das überschuldete Königreich Lichterwald zu retten, müsste Augustin reich heiraten. Zum Beispiel die Kaisertochter Victoria von Siebenlande (Jeanne Goursaud, *1996), die mit ihrem Vater (Bernhard Schütz, *1959) im Schloss Wiesenburg residiert, das Kameramann Peter Nix (*1967) für Außenaufnahmen filmt. Die Innenaufnahmen finden im frühklassizistischen Schloss Friedrichsfelde statt, in dem schon für die ARD-Märchenfilme „Rapunzel“ (D 2009), „Die zertanzten Schuhe“ (D 2011) und „Sechse kommen durch die ganze Welt“ (D 2014) gedreht wurde.
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Märchenhafte Drehorte: Wo Brüderchen und Schwesterchen ein Obdach finden
Märchenhafte Drehorte: Wo Rapunzel ihr Haar herunterlässt
Märchenhafte Drehorte: Wo des Kaisers neue Kleider zu sehen sind
Doch Augustins Geschenke – Nachtigall und Rose – verfangen nicht, sodass er einen Schweinehirten (Florian Kleine) überredet, in seine Rolle schlüpfen zu dürfen. Dazu entsteht am Rand des Waldparks Wiesenburg eine Hütte nebst Schweinestall – wo der Schweinehirt die Prinzessin das erste Mal küsst. Das künstliche Spielzeug kauft er vorher bei den Ladeninhabern Schief (Milan Peschel) und Krumm (Johann Jürgens), die in der Großen Paltrockmühle Langerwisch wohnen, von wo ebenso „Hans im Glück“ (D 1998) einst in die Welt wanderte.
Last but not least: Die Ferkel, die dem Liebesglück auf die Sprünge helfen, und (Film-)Esel Sandor, auf dem Victoria am Ende zu Augustin ‚reitet’, gehören im Übrigen zum Schönwalder Verein Esel-Freunde im Havelland, der schon für viele Märchenfilme die ‚tierischen’ Besetzungen artgerecht ausbildete.
Drehorte: u. a.
- Burg Rabenstein, Zur Burg 49, 14823 Rabenstein/Fläming
- Paltrockwindmühle Langerwisch, Bergholzer Straße 20, 14552 Michendorf
- Schloss Friedrichsfelde, Am Tierpark 125, 10319 Berlin
- Schlosspark Petzow, Fercher Straße 50b, 14542 Werder/Havel, OT Petzow
- Schloss Wiesenburg, Schloßstraße 1, 14827 Wiesenburg/Mark
- Zitadelle Spandau, Am Juliusturm 64, 13599 Berlin
Film: „Der Schweinehirt“ (BRD, 2017, R: Carsten Fiebeler). Erstausstrahlung: 26.12.2017/ARD. Ist auf DVD erschienen.
Verwendete Quellen:
- Andersen, Hans Christian: Der Schweinehirt (auch: Der Schweineknecht). In: Ders.: Sämtliche Märchen. Vollständige Ausgabe. Aus dem Dänischen von Thyra Dohrenburg. Mit Illustrationen von Vilhelm Pedersen und Lorenz Frølich. Mannheim: Albatros, 2012, S. 260–266.
- Golz, Melanie: Weihnachtszeit – Märchenzeit. In: Esel-Freunde im Havelland e.V. (abgerufen: 30.10.2024)
- Die Prinzessin und der Schweinehirt (1924): Hersteller: Universal-Plakat-Film GmbH, Berlin, Friedrichstraße 224, Zulassungskarte, Prüf-Nr. 12929, vom 18.5.1926, Film-Prüfstelle Berlin
- Die Prinzessin und der Schweinehirt (1967). Fernsehinszenierung eines Märchenspiels in 4 Bildern von Peter Ensikat nach Hans Christian Andersen. In: Fernsehen der DDR – Online Lexikon der DDR-Fernsehfilme, Fernsehspiele und TV-Inszenierungen (fernsehenderddr.de, abgerufen: 30.10.2024)
- Scherf, Walter: Der Schweineknecht. In: Ders.: Das Märchenlexikon. Zweiter Band L–Z. Sonderausgabe. München: C. H. Beck, 2007, S. 1063–1065.
Headerfoto: Prinz Augustin (Emilio Sakraya) hat sich als Schweinehirt verkleidet, um Prinzessin Victoria (Jeanne Goursaud) einen Streich zu spielen / © rbb/Anke Fallböhmer