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Alles so schön bunt hier: Cinderella (USA 2015)

Noch einmal, bitte! Disney bringt seinen Zeichentrick-Klassiker „Cinderella“ (1950) erneut auf die Kinoleinwand: diesmal mit Schauspielern statt Animationsfiguren. Obwohl handwerklich gut gemacht und durchaus spannend, kommt die Story recht banal daher. Dennoch könnte der Märchenfilm als Kommentar zur Rassismusdebatte in den USA gelesen werden. Der Kinostart von „Cinderella“ (2015) ist am 12. März 2015.

Filmplakat „Cinderella“ (1950) / © Disney Enterprises, Inc. All Rights Reserved.

Filmplakat „Cinderella“ (1950) / © Disney Enterprises, Inc. All Rights Reserved.

Was wäre wohl passiert, wenn nicht Regisseur Kenneth Branagh sondern sein Kollege Mark Romanek – der ursprünglich für die Neuverfilmung von Disneys „Cinderella“ im Gespräch war – den Märchenfilm gedreht hätte? Romanek, der mit seinen Musik-Videos für Madonna („Rain“), Linkin Park oder Nine Inch Nails bekannt wurde, wollte das Aschenputtel-Remake als düsteres Märchen erzählen, das mit der Zeichentrick-Version „Cinderella“ von 1950 nur wenig gemeinsam gehabt hätte. Das wollten die Disney-Bosse aber nicht – und feuerten ihn.

Kenneth Branagh musste es richten und hatte dabei offenbar wenig kreativen Spielraum. Denn der neue Disney-Märchenfilm „Cinderella“ ist so etwas wie das Realfilm-Pendant zur 1950er-Version: zwar behutsam ans 21. Jahrhundert angepasst, aber inhaltlich ähnlich wie das Animations-Original von vor 65 Jahren. Und das obwohl Disney mit „Maleficent – Die dunkle Fee“ (2014, Robert Stromberg) unlängst zeigte, dass es anders geht. Auch hier ist ein Disney-Zeichentrickfilm der Ausgangspunkt: „Sleeping Beauty“ (1959, Wilfred Jackson, Hamilton Luske, Clyde Geronimi).

Cinderella zwischen Grimmification und Disneyfizierung?

Doch der Real-Märchenfilm „Maleficent – Die dunkle Fee“ sieht sich nicht als bloßes Remake, sondern rückt die psychologische Vorgeschichte der bösen Fee Maleficent (Angelina Jolie) in den Mittelpunkt. Sicher, damit gehört der Film auch zu den US-Produktionen, die auf der sogenannten „Grimmification“-Welle schwimmen, wie „Red Riding Hood – Unter dem Wolfsmond“ (2011, Catherine Hardwicke), „Snow White and the Huntsman“ (2012, Rupert Sanders) oder „Hänsel und Gretel: Hexenjäger“ (2013, Tommy Wirkola). Hier besinnen sich Drehbuchschreiber und Regisseure auf das Abgründige im Märchen zurück: Gruseln, Grauen, Grausamkeiten.

Blondes Klischee: Wie schon im Zeichentrick-Klassiker entscheiden sich die Disney-Bosse wieder für eine blonde Titelheldin – gespielt von der Schauspielerin Lily James / © 2014 Disney Enterprises

Blondes Klischee: Wie schon im Zeichentrick-Klassiker entscheiden sich die Disney-Bosse wieder für eine blonde Titelheldin – gespielt von der Schauspielerin Lily James / © 2014 Disney Enterprises


Böse Stiefmutter: Lady Tremaine (Cate Blanchett) trägt erlesene, teure Stoffe, die Geltungssucht und Machtgier symbolisieren / © 2014 Disney Enterprises

Böse Stiefmutter: Lady Tremaine (Cate Blanchett) trägt erlesene, teure Stoffe, die Geltungssucht und Machtgier symbolisieren / © 2014 Disney Enterprises


Doch Märchen entwerfen im Kern ja vor allem „Grundzüge eines elementaren Selbst- und Weltverständnisses“ (Freund). Und das muss nicht immer mit Gewalt und Grausamkeit einhergehen. Da ist es gut, dass die Neuverfilmung von „Cinderella“ diese Märchen-Zutaten nicht genüsslich um ihrer selbst Willen inszeniert. Ganz im Gegenteil. Leider. Denn „Cinderella“ findet sich am anderen Ende der Skala wieder: der „Disneyfizierung“, in der auch Märchenfilmstoffe zumeist aus einer „infantilisierenden Weltansicht“ (Wulff) erzählt werden.

Französisches Märchen von Charles Perrault ist Vorlage

Ob das im Sinne des Dichters Charles Perrault ist, der 1697 das französische Märchen „Aschenputtel oder Der kleine gläserne Schuh“ veröffentlicht – das sich „Cinderella“ zum Vorbild nimmt –, bleibt offen: In der Perraultschen Geschichte wird ein junges Mädchen namens Aschenputtel von Stiefmutter und Stiefschwestern schikaniert und muss von früh bis abends für sie schuften. Zum Glück hat es eine gute Patin mit Zauberkräften, die ihm hilft, dass es während eines Balls das Herz des Prinzen erobern kann. Am Ende heiratet Aschenputtel den Königssohn.

Date in the Woods: Ella (Lily James) trifft im Wald auf einen Fremden (Richard Madden), der sich als Hofdiener Kit ausgibt, aber in Wirklichkeit der Prinz ist / © Disney Enterprises

Date in the Woods: Ella (Lily James) trifft im Wald auf einen Fremden (Richard Madden), der sich als Hofdiener Kit ausgibt, aber in Wirklichkeit der Prinz ist / © Disney Enterprises


Game of Thrones: Richard Madden kennen Zuschauer bereits aus der US-amerikanischen TV-Serie „Game of Thrones“. Darin spielt er Robb Stark, den König des Nordens / © 2014 Disney Enterprises

Game of Thrones: Richard Madden kennen Zuschauer bereits aus der US-amerikanischen TV-Serie „Game of Thrones“. Darin spielt er Robb Stark, den König des Nordens / © 2014 Disney Enterprises


Darum geht es auch in den Disney-Versionen von 1950 und 2015. Zwar wird die erste Verfilmung 1951 gleich 3-mal für den „Oscar“ (Bester Song, Beste Musik, Bester Tonschnitt) nominiert, erhält im selben Jahr den „Berlinale“-Publikumspreis als „bester Musikfilm“ und von der deutschen Filmbewertungsstelle obendrein das Prädikat „wertvoll“, dennoch spürt der Zuschauer im Zeichentrickfilm deutlich „ein Stück Hollywood: verspielt, verträumt, verbindlich“ (Benjamin). Das weiß auch Autorin Aline Brosh McKenna, die 2010/11 am Drehbuch für die neue „Cinderella“-Verfilmung schreibt.

Vampire, Apfelkuchen und kleine Nager

Doch wie Ex-Regisseur Mark Romanek wird auch sie vor die Tür gesetzt. Das Drehbuch überarbeitet Chris Weitz, der u. a. bei „New Moon – Bis(s) zur Mittagsstunde“ (2009) Regie führt und „American Pie“ (1999, Paul Weitz) produziert. Vampire und Apfelkuchen spielen in „Cinderella“ trotzdem keine Rolle. Dafür aber eine ganze Farm von Tieren, wie zum Beispiel ziemlich kluge Mäuse (die vielleicht auch Apfelkuchen fressen), aber zuvorderst das Leben der jungen Waise Ella (Lily James) ein wenig erträglicher machen und dem Glück auf die Sprünge helfen.

It's Magic: Mit Hilfe der guten Fee (Helena Bonham Carter, r.) kann Cinderella (Lily James, l.) doch noch am königlichen Ball teilnehmen / © Disney Enterprises

It’s Magic: Mit Hilfe der guten Fee (Helena Bonham Carter, r.) kann Cinderella (Lily James, l.) doch noch am königlichen Ball teilnehmen / © Disney Enterprises


Ganz in Blau: Die Britin Sandy Powell, die schon für „Shakespeare in Love“ (1998) die Kostüme entwarf, designt auch das Kleid von Cinderella (Lily James) / © 2014 Disney Enterprises

Ganz in Blau: Die Britin Sandy Powell, die schon für „Shakespeare in Love“ (1998) die Kostüme entwarf, designt auch das Kleid von Cinderella (Lily James) / © 2014 Disney Enterprises


Es sind typische Helferfiguren, die als sogenannte Sidekicks schon in der Zeichentrickversion für durchaus witzige Momente sorgen. Jetzt laufen die kleinen Nager – dank Computeranimation – zu komischen Höchstleistungen auf. Das müssen sie auch, denn Ellas Stiefmutter Lady Tremaine (Cate Blanchett) und deren Töchter Anastasia (Holliday Grainger) und Drisella (Sophie McShera) degradieren sie zur schnöden Hausmagd und nennen sie hämisch Cinderella, weil sie von der Asche (engl. „cinder“) schmutzig ist.

Banale Liebesgeschichte, aber märchenhaft-buntes Setting

Dabei sind die Farbwelten, die Kameramann Haris Zambarloukos zaubert, alles andere als schmutzig, sondern bunt und intensiv – auch wenn er sich symbolträchtig am klassischen Gut-Böse-Farbschema orientiert: So fahren die rothaarige Stiefmutter und deren Töchter in einer Kutsche mit schwarzen Pferden vor, während die blonde Ella auf einem Schimmel ausreitet und einen dunkelhaarigen Fremden (Richard Madden) im Wald trifft, der sich als Jäger ausgibt und in Wirklichkeit der Prinz ist. So lernen sich beide vor dem Ball kennen …

Goldener Kürbis: Auch wenn es dieser Karosse nicht anzusehen ist, sie war mal eine Gartenfrucht / © Disney Enterprises

Goldener Kürbis: Auch wenn es dieser Karosse nicht anzusehen ist, sie war mal eine Gartenfrucht / © Disney Enterprises


Doch es ist nicht die banale Liebesgeschichte, die „Cinderella“ sehenswert macht, vielmehr sind es neben den Farben auch die Ausstattung des Märchenfilms (Set-Design: Dante Ferreti). Die auf den ersten Blick mit Möbeln, Gemälden und Accessoires voll gestopften Zimmer, Säle und Paläste bestätigen einerseits Zuschauererwartungen, die an ein märchenhaftes Setting gestellt werden, andererseits nehmen diese filmischen Räume – wie Farben – auch immer symbolischen Charakter an. Und das oftmals im Zusammenspiel mit den Kostümen:

Motive im Zusammenspiel von szenischen Räumen und Kostümen

Filmplakat „Cinderella“ (2015) / © Disney Enterprises, Inc. All Rights Reserved.

Filmplakat „Cinderella“ (2015) / © Disney Enterprises, Inc. All Rights Reserved.

So sind Ellas Ballkleid und ihre gläsernen Schuhe, die sie von einer guten Fee (Helena Bonham Carter) bekommt, mit Schmuck verziert, der kleinen Schmetterlingen gleicht. In der Ausstattung finden sich ebenso Schmetterlinge, z. B. filigran gemalt auf den Tapeten in Ellas Elternhaus. Und sie bekommt in der Kindheit von ihrem Vater – der später stirbt – ein Geschenk: ein Schmetterlings-Spielzeug. So kommt dem Schmetterlings-Motiv in „Cinderella“ eine besondere Bedeutung zu, das Drehort und Kostüm einbezieht.

Denn es kann hier als Symbol der Verwandlung gelesen werden, wenn sich Ella zu einer jungen Frau entwickelt, letztlich aus ihrem Cinderella-Kokon befreit und, wie ein Schmetterling, in ein farbenprächtiges Kleid schlüpft (Kostüme: Sandy Powell). Neben diesen Bedeutungsebenen zeigt sich Disneys Neuverfilmung von „Cinderella“ noch in einem anderen Punkt durchaus aufgeschlossen. Es geht um afroamerikanische Figuren im Film, oder besser gesagt: um „selbstbewusst und gleichberechtigt agierende schwarze und weiße Figuren“ (Busche) im Hollywood-Film.

Schwarze und weiße Figuren im Märchenfilm

Als Disney in seinem Zeichentrickfilm „Küss den Frosch – The Princess and the Frog“ (2009, John Musker, Ron Clements) seine erste afroamerikanische Titelheldin präsentiert, sorgt das damals für gute Presse. Trotzdem wurde dem Film vorgeworfen, nur „konservativ emanzipiert“ (Balzer) zu sein, weil darin eine andere Figur, ein afroamerikanischer Voodoo-Priester, jene Klischees des bösen schwarzen Mannes erfüllte, die die Autoren doch hinter sich lassen wollten. In „Cinderella“ haben die Drehbuchschreiber Brosh McKenna/Weitz offenbar dazugelernt.

Bunte Smarties: Die böse Stiefmutter Lady Tremaine (Cate Blanchett, M.) mit ihren Töchtern Anastasia (Holliday Grainger, l.) und Drisella (Sophie McShera, r.) / © Disney Enterprises

Bunte Smarties: Die böse Stiefmutter Lady Tremaine (Cate Blanchett, M.) mit ihren Töchtern Anastasia (Holliday Grainger, l.) und Drisella (Sophie McShera, r.) / © Disney Enterprises


Afroamerikanische Helferfigur: Der Prinz (Richard Madden, l.) kann sich auf seinen Kumpel, den Schwarzen Hauptmann (Nonso Anozie), verlassen / © Disney Enterprises

Afroamerikanische Helferfigur: Der Prinz (Richard Madden, l.) kann sich auf seinen Kumpel, den Schwarzen Hauptmann (Nonso Anozie), verlassen / © Disney Enterprises


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Okay, Ella und der Prinz sind weiß wie (adliger) Schnee, doch in der zweiten und dritten Figuren-Reihe tut sich was. So setzen sich nicht nur Hofleute und Ballgäste aus schwarzen und weißen Schauspielern zusammen, auch eine wichtige Helferfigur – ein Leutnant und guter Freund des Prinzen – wird von einem Afroamerikaner gespielt. Klar, das sind wieder nur Sidekicks, die im Hollywood-Kino gern mit schwarzen Figuren besetzt werden. Doch vor dem Hintergrund der jüngsten Rassismusdebatten in den USA ist es ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Vielleicht wird der Traum von der Gleichberechtigung, nicht nur im Märchenfilm, doch noch wahr.

Film: „Cinderella“ (2015, R: Kenneth Branagh, USA).

Drehorte:

  • Pinewood Studios, Pinewood Road, Iver Heath, Buckinghamshire SL0 0NH, UK
  • Blenheim Palace, Woodstock, Oxfordshire OX20 1PP, UK
  • Windsor Castle, Windsor, Windsor and Maidenhead SL4 1NJ, UK
  • Old Royal Naval College, King William Walk, London SE10 9NN, UK
  • Black Park, Black Park Road, Slough, Buckinghamshire SL3 6DS, UK
  • Zudem inspirierte die Filmemacher der Dresdner Zwinger (Theaterplatz 1, 01067 Dresden) für das Königsschloss in „Cinderella“. Zwar wurde nicht vor Ort in der sächsischen Landeshauptstadt gedreht, doch ein kleines Team fotografierte die barocke Schlossanlage in allen Details. Den Rest besorgte der Computer.

Literatur:

  • Balzer, Jens: Voodoojazz im Glitzerdress. Schwarze Prinzessin küsst grünen Frosch: Der neue Disney-Film ist konservativ emanzipiert, in: Berliner Zeitung, 09.12.2009
  • Benjamin, B.: Cinderella – Aschenputtel, in: Die Tageszeitung, 02./03.05.1991
  • Busche, Andreas: Ein weiter Weg – Afroamerikanische Emanzipation und Integration im Hollywood-Kino, in: Kinofenster.de, 23.11.2011
  • Freund, Winfried: Märchen. Köln, 2005, S. 8
  • Wulff, Hans Jürgen: Disneyfizierung, in: Lexikon der Filmbegriffe, zuletzt geändert am 09.03.2014


Headerfoto: Cinderella (Lily James, vorne in der Mitte) und der Prinz (Richard Madden) auf dem königlichen Ball. / © 2014 Disney Enterprises, Inc. All Rights Reserved.

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