Zwerg Nase, ein verzauberter Junge, der zum Meisterkoch avanciert, wäre heute vielleicht Moderator einer TV-Kochshow. Wie die aussehen könnte, zeigen vier Märchenfilme über den kleinwüchsigen Koch – entstanden zwischen 1953 und 2008 an märchenhaften Drehorten (und in historischen Schlossküchen) in Bayern, Brandenburg sowie Berlin.
Verwandlungen finden sich oft im Märchen, meist ausgelöst durch eine Verwünschung oder Verzauberung. Häufig kommt es dabei vor, dass Menschen in Tiere („Der Froschkönig“) oder sonderliche Gestalten verwandelt werden. Bisweilen nimmt die Zauberei auch „komisch-groteske Züge“ (Freund) an. Wie in Wilhelm Hauffs „Der Zwerg Nase“ von 1827, einem der bekanntesten Verwandlungs-, aber zugleich auch Erlösungsmärchen. Denn die Märchenlogik will es, dass der böse Fluch eines Zauberers oder einer Hexe am Ende zumeist gebrochen wird.

Monatskalenderblatt: Zwerg Nase / Illustration: Paul Hey / Ackermann Kunstverlag
Wer heute das Märchen „Zwerg Nase“ liest, fühlt sich wegen seiner „individuelle[n] Charaktere“ und „detaillierten Ausmalung“ (Träger) von Lebensverhältnissen mitunter an Filmdrehbücher und „Regieanweisungen“ (Schmitt) erinnert – obwohl die Bilder ja erst siebzig Jahre nach Hauffs Tod (1827) laufen lernen. Da verwundert es nicht, dass das Märchen früh verfilmt wird: Trickfilmer Ladislaus Tuszynski und Heinz Hanus, österreichischer Stummfilmpionier, adaptieren 1921 „Zwerg Nase“ als 25-minütigen Schauspieler-Märchenfilm mit Zeichentricksequenzen.
Kloster Ottobeuren im Allgäu: Zwerg Nase kocht in der Benediktiner-Abtei

Seerosenteich Kloster Ottobeuren / Foto: Richard Mayer / Wikimedia Commons
Als der in einen Zwerg verzauberte Jakob der Fee entkommt, führt ihn sein Weg zum Palast des Herzogs (Ernst Rotmund): die Benediktiner-Abtei Ottobeuren. Weil das Kloster im 18. Jahrhundert zu einer barocken Anlage umgebaut wird – mit „schlossartigen Einfahrten, Gärten, repräsentativen Innenräumen“ (Schonger) –, bietet es eine perfekte weltliche Schlosskulisse. Hier zeigt Zwerg Nase (Hans Clarin) seine Kochkünste, allerdings nur bei Groß- und Nahaufnahmen. Ist er von hinten zu sehen, doubelt ihn der kleinwüchsige Schauspieler Richard Krüger: der böse Zwerg aus „Das singende, klingende Bäumchen“ (1957, R: Francesco Stefani, DDR).
Drehorte:
- Benediktiner-Abtei Ottobeuren, Sebastian-Kneipp-Straße 1, 87724 Ottobeuren: u. a. Museum Barockbibliothek, Klosterinnenhof mit Brunnen, Basilika, Marktplatz
- Memmingen, 87700 Memmingen: u. a.
- Einlass-Tor, Am Einlass, 87700 Memmingen
- Ehemaliges Steuerhaus (Laubengang), Marktplatz 16, 87700 Memmingen
Film: „Zwerg Nase“ (1953, R: Francesco Stefani, BRD). Ist auf VHS erschienen.
Berlin-Adlershof: Zwerg Nase steigt erstmals zum Fernseh-Koch auf

Fernsehzentrum Adlershof im Jahre 2005 / Foto: Georg Slickers / Wikimedia Commons
„Die Osterhasen von Kuckuckshöh“ und „Vom König, der das Lernen verbietet“. Vier Jahre und eine Umbenennung später wird „Zwerg Nase“ verfilmt. Im Schauspieler-Ensemble ist auch Kurt Schmidtchen, der 1956 die Titelfigur im DEFA-Märchenfilm „Das tapfere Schneiderlein“ übernimmt. Obwohl aus der Frühzeit des DFF nur wenige Fernsehproduktionen archiviert sind, haben sich sechs (sic!) Filmminuten von „Zwerg Nase“ aus dem Jahr 1958 erhalten. Und auch zwei Spielbücher, eine Besetzungsliste sowie ein Szenenbild-Grundriss sind überliefert.
Drehort: Deutscher Fernsehfunk, Studio Berlin-Adlershof, Rudower Chaussee 3, 12489 Berlin
Film: „Zwerg Nase“ (1958, R: Hans-Günther Bohm, DDR). Nicht auf VHS oder DVD erschienen.
Potsdam-Babelsberg: Die zweite TV-Karriere des Fernseh-Kochs Zwerg Nase

Eingangstor zum Filmstudio Potsdam-Babelsberg / Foto: Studio Babelsberg AG
So erinnern die Marktszenen, in denen Jakob (Matthias Glugla) die Hexe alias Fee Kräuterweis (Doris Abeßer) trifft, an das Biedermeier. Dagegen scheint das Esszimmer des Palastes, in dem Zwerg Nase (gespielt von der damals 33-jährigen Schauspielerin Carmen-Maja Antoni) seine Speisen dem Herzog (Peter Bause) serviert, eher Renaissance als 19. Jahrhundert. Passt das zusammen? Durchaus. Weil der unberechenbare Herzog damit als ein Mann der Vergangenheit gezeigt wird, dessen System sich bereits überlebt hat. Ganz im Sinne Hauffs, der auch in der Vorlage eine „schneidige Absolutismus- und Hofkritik“ (Ewers) durchschimmern lässt.
Drehort: VEB DEFA Studio für Spielfilme, 1502 Potsdam-Babelsberg, August-Bebel-Straße 26–53
Film: „Zwerg Nase“ (1978, R: Karl-Heinz Bahls, DDR). Ist auf DVD erschienen.
Schloss Weißenstein: Zwerg Nase erfindet die Pommes Frites

Schloss Weißenstein, Pommersfelden / Foto: Zairon / Wikimedia Commons
Darin finden sich schiefe Wände, schräge Linien, spitz zulaufende Räume – gefilmt aus einer verzerrten Perspektive (Kamera: Axel Block). Zudem wirken die Farben, im Gegensatz zu den warmen Erdtönen in den Außenaufnahmen, kalt und leblos. Es sind Angst-Räume, in denen die Figuren wie Gefangene wirken. Als der verzauberte Jakob (Michael Markfort) entkommt, bewirbt er sich vor dem Schloss Seehof – ein ehemaliges Jagdschloss – mutig als Koch. In den Küchen- und Saalräumen des Barockschlosses Weißenstein serviert er später dem Herzog Alois (Markus Majoswki) frittierte Kartoffeln. Der ist hin und weg – und stellt Jakob alias Zwerg Nase ein …
Drehorte:
- Alte Hofhaltung, Domplatz 7, 96047 Bamberg
- Bamberger Dom, Domplatz 5, 96049 Bamberg
- Schloss Weißenstein, Schloss 1, 96178 Pommersfelden
- Schloss und Park Seehof, 96117 Memmelsdorf
Film: „Zwerg Nase“ (2008, R: Felicitas Darschin, BRD). Ist auf DVD erschienen.
Weitere Verfilmung: „Zwerg Nase“ (1980, R: Johannes Hoflehner, Österreich). Nicht auf VHS oder DVD erschienen. Mehr
Literatur:
- Ewers, Hans-Heino: Nachwort, in: Hauff, Wilhelm: Sämtliche Märchen. Mit den Illustrationen der Erstdrucke. Hrsg. von Hans-Heino Ewers. Stuttgart, 2002, S. 461
- Freund, Winfried: Märchen. Köln, 2005, S. 106
- Schmitt, Christoph: Adaptionen klassischer Märchen im Kinder- und Familienfernsehen. Eine volkskundlich-filmwissenschaftliche Dokumentation und genrespezifische Analyse der in den achtziger Jahren von den westdeutschen Fernsehanstalten gesendeten Märchenadaptionen mit einer Statistik aller Ausstrahlungen seit 1954. Frankfurt a. M., 1993, S. 47
- Träger, Claus: Nachwort, in: Wilhelm, Hauff: Märchen. Leipzig, 1989, S. 135
- o. A.: Märchenfilm in schwäbischem Rahmen. Hubert Schonger dreht seinen Hauff-Film „Zwerg Nase“, 26.9.1952
Header-Foto: Zwerg Nase (Michael Markfort), Haushofmeister Pestalozzi (Gilbert von Sohlern) und Meister Schorsch (Peter Rauch) im Märchenfilm „Zwerg Nase“ (D 2008) / Foto: Bayrischer Rundfunk
Dieser Beitrag wurde am 18. April 2019 aktualisiert.