Dass „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ auf Schloss Moritzburg gedreht wurde, wissen die meisten. Aber an welchen Drehorten – Burgen, Gutshöfen oder Parks – entstanden die anderen deutschen Märchenfilme über „Aschenputtel“?
Es soll der erste Märchenfilm überhaupt gewesen sein: „Cendrillon“ (F 1899), zu Deutsch: „Aschenputtel“, von George Méliès. Der französische Filmpionier hatte sich – so die Überlieferung – von der gleichnamigen Märchenoper Jules Massenets inspirieren lassen. Diese geht, wie auch Méliès’ Film, auf das französische „Aschenputtel“-Märchen von Charles Perrault zurück.
Hier muss sich ein Mädchen („ebenso gut wie schön“) gegen eine fiese Stiefmutter und deren nicht minder böse Töchter behaupten. Aschenputtel, so sein Name, weil es in der Kaminecke neben der Asche schläft, nimmt unerlaubt an einem königlichen Ball teil. Dort verliebt sich der Königssohn in das Mädchen. Als Aschenputtel dem Prinzen kurz vor Mitternacht entflieht, verliert es einen seiner Schuhe. Tags darauf verkündet der Prinz, dass er die heiraten werde, welcher der Schuh passt. Als Aschenputtel ihn anprobiert, sitzt dieser wie angegossen, und der Königssohn führt es auf sein Schloss.
Von den weltweit über 700 „Aschenputtel“-Varianten zählen neben Perraults „Cendrillon ou la Petite Pantoufle de verre“ (1697) auch das „Aschenputtel“ der Brüder Grimm (1812), Ludwig Bechsteins „Aschenbrödel“ (1845) und die Version der tschechischen Schriftstellerin Božena Němcová („O Popelusce“, 1857) – zugleich die Vorlage für eine der populärsten Adaptionen des Märchens: „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ (ČSSR/DDR 1973).
Aber bei Weitem nicht die einzige, denn in den letzten 100 Jahren wurde das Märchen mehrfach in Deutschland verfilmt.
Union-Glashaus/Berlin-Tempelhof: „Aschenbrödel“ (1916) mit Asta Nielsen
Das Drehbuch für eine der ersten deutschen Verfilmungen schrieb der Däne Urban Gad. Er inszenierte das Märchen als Familiengeschichte: Das Mädchen Lotte – gespielt vom Stummfilmstar Asta Nielsen – wächst in ärmlichen Verhältnissen bei Pflegeeltern aus. Sie behandeln das Mädchen aber schlecht. Was Aschenbrödel nicht weiß: Sie ist eigentlich die Tochter des reichen Regierungsrats von Harten (Max Lauda).
Seine Frau hatte das Kind, nachdem sie es heimlich zur Welt brachte, aus Scham weggegeben. Am Ende wendet sich alles zum Guten und die Familie ist wieder vereint. Gad verlegte die Geschichte in die damalige Gegenwart. So entstand ein bürgerliches Filmmärchen mit Tendenzen zum Melodram – das heute aber als verschollen gilt. Überliefert ist, dass „Aschenbrödel“ in den Tempelhofer Studios der Projektions-AG Union (PAGU) gedreht wurde.
Film: „Aschenbrödel“ (D, 1916, R: Urban Gad)
Standfotos: Die Seite „Lost Films“ zeigt 31 Standfotos von „Aschenbrödel“. Hier klicken
Drehort: Union-Glashaus, Oberlandstraße 26–35, 12099 Berlin-Tempelhof
Filmstudio/Berlin: Stummes „Aschenbrödel“ (1930/31) lernt sprechen
In der Übergangszeit vom Stumm- zum Tonfilm adaptierte der Märchenfilm-Produzent Alf Zengerling sein „Aschenbrödel“. Der Regisseur stellte 1930 zunächst eine stumme Version des Märchens her. Einerseits weil er noch nicht an den Durchbruch des Tonfilms glaubte, andererseits weil ihm schlichtweg das Geld für die teurere Produktion mit sprechenden Schauspielern fehlte.
Aber nur ein Jahr später vertonte er seinen Märchenfilm dann doch – obgleich das Bild nicht immer synchron zum Ton läuft. Die kindertümliche Handlung orientiert sich an den „Aschenbrödel“-Versionen von Bechstein und Grimm, setzt aber auch neue Akzente. So hilft dem Mädchen die leibliche verstorbene Mutter, sodass Aschenbrödel (Erika Dannhoff) zweimal auf den Ball gehen und dort den Prinzen (Wolfgang Klein) treffen kann.
Im Unterschied zu vielen frühen „Aschenbrödel“-Märchenfilmen hat sich diese 71-minütige Version erhalten. Zuletzt lief sie 2007 im Rahmen einer Retrospektive „Aschenputtel – Ein Märchen im Wandel der Zeit“ beim 15. Deutschen Kinder-Medien-Festival „Goldener Spatz“.
Film: „Aschenbrödel“ (D, 1930/31, R: Alf Zengerling). Ist noch nicht auf VHS/DVD erschienen.
Drehort: Innen- und Außenaufnahmen vermutlich Berlin und Umgebung.
Pfaueninsel/West-Berlin: „Aschenputtel“ (1955) im Naturschutzgebiet
Was haben „Der Mönch mit der Peitsche“ und „Aschenputtel“ gemeinsam? Ganz viel. Sowohl für den Edgar-Wallace-Streifen von 1967 als auch für den farbigen, wenn auch betulichen Märchenfilm entstanden die Außenaufnahmen auf der Pfaueninsel im südwestlichen Zipfel Berlins. Das nur 1,5 Kilometer lange und 500 Meter schmale heutige Naturschutzgebiet wurde Anfang des 19. Jahrhunderts als Landschaftspark im englischen Stil angelegt.
Auf Schloss Pfaueninsel, einer romantisch-märchenhaften, hell getünchten Burg, lebt in Fritz Genschows „Aschenputtel“ (1955) standesgemäß der Prinz (Rüdiger Lichti). Neben dem Schlösschen ist im Märchen auch das Kavaliershaus zu erkennen, das sich in der Inselmitte befindet und 1824/25 von Karl Friedrich Schinkel in ein spätgotisches Patrizierhaus umgebaut wurde.
Außenaufnahmen entstanden ebenso auf dem Festland, wie im Volkspark Klein-Glienicke, der sich in der Nähe der Pfaueninsel befindet: Als das Film-Aschenputtel (Rita-Maria Nowotny) kurz vor Mitternacht den königlichen Ball verlässt, reitet ihm der Prinz hinterher – unter anderem ist hier der Torbogen des ockerfarbenen Maschinenhauses zu erkennen, das 1837/38 im Stil eines italienischen Kastells gebaut wurde.
Als Drehort für Aschenputtels Zuhause entschied sich Regisseur Fritz Genschow für den Jägerhof in der englischen Tudor-Gotik, der ebenfalls von Schinkel errichtet wurde. Da das frühere Wohnhaus für die Jäger Ende der 1970er-Jahre original-getreu rekonstruiert wurde, ist in „Aschenputtel“ von 1955 noch der vorherige Zustand zu sehen.
Film: „Aschenputtel“ (BRD, 1955, R: Fritz Genschow). Ist auf VHS/DVD erschienen.
Drehorte: u. a.
- Pfaueninsel, Nikolskoerweg, 14109 Berlin-Zehlendorf
- Volkspark Klein-Glienicke, Königstraße, 14109 Berlin-Wannsee
Schloss Moritzburg/Dresden: „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ (1973)
Als im Winter 1972/73 die Dreharbeiten zum tschechoslowakisch-deutschen Kultfilm „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ begannen, sollten die ersten Außenaufnahmen vor einem tief verschneiten Schloss Moritzburg entstehen. Doch das Wasserschloss, das sich 15 Kilometer nordwestlich von Dresden befindet und im Märchenfilm Sitz der königlichen Familie ist, zeigte sich damals nicht weiß, sondern grau.
Kein Schnee, nirgends. Deshalb ließ Regisseur Václav Vorlíček vor dem Dreh Mengen von Kunstschnee verteilen. Beispielsweise für die Einstellung, in der die Kamera den Königszug filmt und im Hintergrund das Schloss zu sehen ist. Tipp: Die Stelle, an der damals diese malerischen Aufnahmen von Moritzburg entstanden, ist auch heute noch zugänglich.
Ebenso die Treppe, auf der Aschenbrödel (Libuše Šafránková) seinen Schuh verliert und vom Prinzen (Pavel Trávníček) gefunden wird, befindet sich im Schloss Moritzburg. Wie die Fanpage zum Film „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ weiß, zählt die Schlossanlage vier solcher ähnlich aussehender Treppen: Die richtige Treppe befindet sich auf der östlichen dem Garten zugewandten Seite.
Seit 2009 erinnern auf Moritzburg Sonderausstellungen an den tschechoslowakisch-deutschen Märchen-Kultfilm – mit Originalkostümen und Filmrequisiten. Dabei wird oft vergessen, dass das Barockschloss nur einer der Drehorte für das Märchen von Božena Němcová war. Viele Innenaufnahmen entstanden dagegen in den ostdeutschen DEFA-Studios in Potsdam-Babelsberg.
Film: „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ (1973, ČSSR/DDR, R: Václav Vorlíček). Ist auf VHS/DVD erschienen.
Drehorte: u. a.
- Barrandov-Studios, Kříženeckého nám. 322/5, 152 00 Praha 5–Hlubočepy, Tschechien
- Burg Švihov, Žižkova 1, 340 12 Švihov, Tschechien
- Schloss Moritzburg, Schlossallee, 01468 Moritzburg
- VEB DEFA Studio für Spielfilme, 1502 Potsdam-Babelsberg, August-Bebel-Straße 26–53
Schloss Moritzburg/Dresden: Ein West-„Aschenputtel“ (1989) in der DDR
15 Jahre nachdem Václav Vorlíček sein „Aschenbrödel“ in und um Schloss Moritzburg verfilmte, entstanden 1988 die Außenaufnahmen für eine weitere „Aschenputtel“-Version. Sie ist zudem ein Beispiel für die deutsch-deutschen (Film-)Beziehungen in den 1980er-Jahren: Denn die österreichische Regisseurin Karin Brandauer drehte den Märchenfilm in einer westdeutschen Koproduktion mit dem ZDF. Ihr „Aschenputtel“ sollte allerdings auch vor dem Schloss spielen.
Das lag 1988 aber in der damaligen DDR. Nach einer Dreherlaubnis zuckelte das Filmteam deshalb Anfang September in Tourbussen von West-Berlin nach Moritzburg, in der Nähe der Bezirksstadt Dresden. Hier entstand – wie schon 1973 – auch die Schlüsselszene des Märchenfilms, in der Aschenputtel (Petra Vigna) seinen goldenen Schuh verliert.
Andere geeignete Drehorte für Außenaufnahmen, wie das Gutshaus des Vaters (Jean-Marc Bory) und der Stiefmutter (Krista Stadler), fand man in den Wirtschafts- und Nebengebäuden des West-Berliner Jagdschlosses Grunewald. Deren Außenansichten passten perfekt. Auch das aus Holz gezimmerte Taubenhaus, in dem sich Aschenputtel versteckt, als es vor dem Prinzen (Stephan Meyer-Kohlhoff) flüchtet, wurde hier extra aufgebaut.
Film: „Aschenputtel“ (BRD/E/F/I/ČSSR, 1989, R: Karin Brandauer). Ist auf DVD erschienen.
Drehorte: u. a.
- Berliner Union Film GmbH & CO. KG, Oberlandstraße 26–35, 12099 Berlin-Tempelhof
- Freizeit- und Erholungspark Lübars, Alter Bernauer Heerweg/Quickborner Str., 13469 Berlin-Reinickendorf
- Jagdschloss Grunewald, Hüttenweg 100, 14193 Berlin
- Schloss Moritzburg, Schlossallee, 01468 Moritzburg
Schloss Hof/Niederösterreich: „Aschenputtel“ (2010) tanzt im Barockgarten
Fast 20 Jahre nach Brandauers „Aschenputtel“ verfilmte das ZDF das Grimm’sche Märchen erneut, diesmal für seine TV-Reihe „Märchenperlen“. Gedreht wurde von Mitte Juli bis Anfang August 2010 auf Schloss Hof in Niederösterreich. Das Barockschloss ist das Zuhause von Prinz Leonhard (Max Felder). Dieser sucht dringend eine Braut, um das Testament seiner Eltern zu erfüllen und seinen durchgeknallten Onkel (Heinrich Schafmeister) auf dem Thron abzulösen.
Dank des gutes Wetters während der Dreharbeiten konnten viele Außenaufnahmen auf den sieben Terrassen des Barockgartens entstehen. Diese präsentieren sich wie zu Zeiten der österreichischen Kaiserin Maria Theresia: reich verzierte Brunnenanlagen, romantische Laubengänge, kunstvoll eingefasste Blumenbeete. Kein Wunder, dass sich gerade dort Aschenputtel Julia (Emilia Schüle) und der Prinz ineinander verlieben. Die böse Stiefmutter wird übrigens von der Leipziger Ex-„Tatort“-Kommissarin Simone Thomalla gespielt.
Film: „Aschenputtel“ (BRD, 2010, R: Susanne Zanke). Ist auf DVD erschienen.
Drehort: u. a. Schloss Hof, A-2294 Schlosshof 1
Burg Anholt/Isselburg: „Aschenputtel“ (2011) – eine Doppelverfilmung?
Als auch die ARD – nur ein Jahr nach dem ZDF – das Grimm’sche Märchen verfilmte, war die Aufregung groß: Im sogenannten „Aschenputtel-Streit“ wurde den öffentlich-rechtlichen Sendern vorgeworfen, unkoordiniert Doppelverfilmungen herzustellen. Das ZDF will versucht haben, die Produktionen untereinander abzustimmen, berichtete damals der „Spiegel“. Bei der ARD hieß es, nicht alle Märchen seien vom ZDF qualitativ hochwertig verfilmt worden. Auch daher halte man an einer eigenen Verfilmung fest.
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Märchenhafte Drehorte: Wo das Tischlein deck dich steht
Märchenhafte Drehorte: Wo Dornröschen wach geküsst wird
Märchenhafte Drehorte: Wo Schneewittchen und die sieben Zwerge wohnen
Dass das im Nachhinein eine gute Entscheidung war, zeigt das ARD-„Aschenputtel“ par excellence. Drehort für die Verfilmung ist unter anderem das bezaubernde Wasserschloss Burg Anholt. Hier residiert König Klemens (Harald Krassnitzer) mit seinem Sohn Prinz Viktor (Florian Bartholomäi). Letzterer soll endlich heiraten: Aber wen? Aschenputtels (Aylin Tezel) Stiefschwester Annabella (Pheline Roggan) – unterstützt von der Stiefmutter (Barbara Auer) – macht sich große Hoffnungen, dem Prinzen zu gefallen …
Film: Aschenputtel“ (BRD, 2011, R: Uwe Janson). Ist auf DVD erschienen.
Drehorte: u. a.
- Burg Anholt, Schloss 1, 46419 Isselburg
- LWL-Freilichtmuseum Detmold, Krummes Haus, 32760 Detmold
Verwendete Quellen:
- Diederichs, Ulf: Aschenputtel. In: Ders.: Who’s who im Märchen. München, 1995, S. 31–36.
- Pecher, Claudia Maria: George Méliès (1861–1938) – Pionier des Märchenfilms. In: Dettmar, Ute/Pecher, Claudia Maria/Schlesinger, Ron (Hrsg.): Märchen im Medienwechsel – Zur Geschichte und Gegenwart des Märchenfilms. Stuttgart, 2017, S. 13–37.
- Perrault, Charles: Aschenputtel oder Der kleine gläserne Schuh. In: Ders.: Sämtliche Märchen. Mit 10 Illustrationen von Gustave Doré. Übersetzung und Nachwort von Doris Distelmaier-Haas. Stuttgart, 2012, S. 95–104.
- Pressebox: ZDF verfilmt „Aschenputtel“: Märchen-Spielfilm mit Nachwuchsschauspielern und prominenten Darstellern (14.7.2010, abgerufen: 31.8.2020).
- Spiegel: Märchenverfilmung in ARD und ZDF: Das doppelte Aschenputtel (10.6.2011, abgerufen: 31.8.2020).
Headerfoto: Drehort Schloss Moritzburg / © Schlösserland Sachsen
Dieser Beitrag wurde am 6. September 2020 aktualisiert.